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Pandur Evolution und Crossbow – Schwerer Granatwerfer mit echter 360-Grad-Wirkung während der Fahrt

Waldemar Geiger

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Das österreichische Bundesheer soll neben der Transportpanzervariante in den nächsten Jahren unterschiedliche neue Rüstsatzvarianten des 6×6-Radpanzers Pandur Evolution erhalten, darunter auch eine als Schwerer Granatwerfer – so werden im österreichischen Militärsprachgebrauch 120-mm-Mörsersysteme bezeichnet. Dazu wurde General Dynamics European Land Systems (GDELS), der Hersteller des Pandur Evolution, im Februar 2024 durch das österreichische Verteidigungsministerium mit der Entwicklung, Herstellung und Lieferung von 225 Radpanzern in unterschiedlichen Konfigurationen sowie weiteren Leistungen mit einem Gesamtvolumen von 1,8 Milliarden Euro beauftragt, hartpunkt berichtete.

Bereits zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung war ersichtlich, dass der 120-mm-Mörserträger auf Basis einer Turmlösung des israelischen Rüstungskonzerns Elbit Systems vom Typ Crossbow realisiert werden soll. Während der Messe Eurosatory konnte hartpunkt nun weitere Details für die Auswahlentscheidung zugunsten des Crossbow sowie technische Details des zukünftigen Pandur-Mörserkampfsystems in Erfahrung bringen.

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Nach Aussagen eines mit dem Projekt vertrauten GDELS-Vertreters ist das Bundesheer aufgrund der stetig zunehmenden Top-attack-Bedrohungen, beispielsweise durch Drohnen und Loitering Munition, zu dem Schluss gekommen, dass die Realisierung eines zukünftigen Mörserträgers mittels eines Lukenmörsers nicht mehr zeitgemäß wäre. So wurde der Entschluss für eine Turmmörservariante gefasst, welche gegenüber einem klassischen Lukenmörser mehrere Vorteile bietet. Zum einen ist die Besatzung auch im Feuerkampf komplett geschützt, sowohl ballistisch, als auch gegen ABC-Bedrohungen. Ein weiterer Vorteil besteht in der Fähigkeit, in einer niedrigen Winkelgruppe im direkten Richten feuern zu können. Eine Fähigkeit, die im Gefecht sowohl defensiv als auch offensiv genutzt werden kann.

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Als Forderungen an das neue System wurden unter anderem eine Selbstverteidigungsfähigkeit sowie die Möglichkeit zum Verschuss von im Bundesheer eingeführter Mörsermunitionssorten gestellt. Es sind grundsätzlich zwei 120mm-Turmmörserlösungen – der Crossbow von Elbit und NEMO von Patria – auf dem Markt verfügbar, welche auf den Pandur Evolution integrierbar sind, wobei der Crossbow die Forderungen des Bundesheeres gänzlich erfüllt und zudem mehrere Vorteile gegenüber dem NEMO bieten soll.

Crossbow

So verfügt der Crossbow-Turm im Gegensatz zum NEMO-Turm über ein 12,7mm-Koaxialmaschinengewehr als Sekundärbewaffnung, die der Mörserträger zur Selbstverteidigung gegen nicht bzw. nur leicht gepanzerten Feind auf Kampfentfernungen von mehr als 1.500 Metern einsetzen kann. Das Zielen des schweren Maschinengewehrs erfolgt genauso wie das Zielen des Mörsers im sogenannten direkten Richten über ein starr im Turm verbautes Periskop. Ein 360-Grad-Kamerasystem, so wie es auf allen Pandurvarianten des Bundesheeres zum Einsatz kommt, sorgt zudem für ein besseres Rund-um-Lagebewusstsein im Nahbereich des Fahrzeuges.

Das .50-Koaxialmaschinengewehr ist von vorne betrachtet links neben der Mörserwaffenanlge im Turm integriert, das Periskop rechts vom Mörser. (Bild: GDELS)

Die Integration des Crossbow-Turms erfolgt auf dem Fahrzeug mittels eines Schleifrings, was dazu führt, dass der Turm „echte“ 360 Grad schwenkbar ist. Die Relevanz ergibt sich aus dem Umstand, dass bei einem vollstabilisierten System nach Angaben der Hersteller der Feuerkampf auch während der Fahrt präzise geführt werden kann. In taktischen Lagen, in denen die Fahrzeuge den Feuerkampf entgegen der Fahrtrichtung führen müssen, ist eine Schleifringlösung überlegen, da er nicht in seinem Wirksektor beschränkt ist.

Der Crossbow kann in jeglicher Turmposition nachgeladen werden, ohne dass der Turm in eine spezifische Ausgangsstellung geschwenkt werden muss. Dies wird durch einen drehbaren Turmkorb mit Munitionsladegestell erreicht. Der Ladevorgang an sich erfolgt je nach Definitionsansicht voll- bzw. teilautomatisiert. Ein Ladeschütze legt die vorbereitete Munition in das Turmmagazin bzw. die Ladeschiene, ab dann übernimmt ein Ladeautomat.

GDELS zufolge befindet sich das Vorhaben derzeit in der Konzeptphase, so dass noch nicht alle spezifischen Parameter des zukünftigen Mörserträgers finalisiert sind. Man gehe jedoch davon aus, dass die Kampfbeladung des Fahrzeuges bei bis zu 30 Mörserpatronen – beim Bundesheer als Granaten bezeichnet – liegen wird. Sowohl Nutzlast als auch Verstauvolumen des Pandur Evolution würden eine größere Kampfbeladung erlauben, diese Munition könnte jedoch nicht in der ergonomisch sinnvollen Reichweite des Ladeschützen platziert werden.

Aufgrund des sich drehenden Turmkorbes muss der Crossbow-Turm zum Nachladen des Mörsers nicht in eine bestimmte Stellung geschwenkt werden. (Bild: GDELS)

Die Besatzung des Fahrzeuges soll aus Kraftfahrer, Kommandant, welcher gleichzeitig die Aufgaben des Richtschützen übernimmt, und einem Ladeschützen bestehen.

Abhängig von der Munition wir die Reichweite mit bis zu 10 Kilometern angegeben. Die maximale Feuergeschwindigkeit wird mit zehn Schuss pro Minute und über einen längeren Zeitraum mit sechs Schuss pro Minute angegeben. Das System ist nach Angaben des Herstellers in der Lage, im MRSI-Verfahren (Multiple-Round Simultaneous Impact) zu feuern, dabei werden mehrere Schuss nacheinander abgefeuert, die zum selben Zeitpunkt im Ziel aufschlagen. Die maximale Turmerhöhung des Crossbows wird mit 87 Grad angegeben.

Das Ladesystem des Crossbow soll den ersten Schuss in weniger als 30 Sekunden nach Auftragseingang ermöglichen, was für einen kurzen Sensor-to-Shooter-Zyklus sorgen soll.

Pandur Evolution

Der Pandur Evolution ist eine kampfwertgesteigerte Version des „Ur-Pandur“, welche von GDELS 2019 vorgestellt wurde. Das Fahrzeug ist im Vergleich zu anderen 6×6-Radpanzern besonders stark motorisiert, was sowohl der Mobilität als auch der Aufwuchsfähigkeit dienlich ist. Die Mannschaftstransportvariante bietet Platz für Fahrer, Richtschützen und Kommandanten sowie bis zu acht voll ausgerüstete Infanteristen. Die Panzerung des Fahrzeuges bietet der Besatzung Schutz vor Splittern, vor Beschuss durch Infanteriewaffen sowie vor Minen. Inklusive der Zusatzpanzerung von Rheinmetall Protection Systems verfügt der Pandur Evolution über eine qualifizierte ballistische Schutzklasse gemäß STANAG 4569. Eine Explosionsunterdrückungsanlage, ein entkoppelter Fußboden – als Teil des Minenschutzes – sowie eine ABC-Schutzbelüftung komplettieren den Fahrzeugschutz.

Das Fahrzeug wiegt in der Transportpanzervariante etwa 18,6 Tonnen, wovon bis zu 4,5 Tonnen für die Nutzlast zur Verfügung stehen. Der Antrieb erfolgt über einen 8,9 Liter 6-Zylinder-Dieselmotor Cummins ISLe 450 mit 335 kW Leistung samt einem 6-Gang-Getriebeautomaten von ZF. Die Höchstgeschwindigkeit wird vom Hersteller mit 82 km/h im Gelände bzw. 118 km/h auf der Straße angegeben. Einzelradaufhängung samt des sogenannten Automatic Drivetrain Management mit 100 Prozent Sperrwirkungsgrad in Verbindung mit dem Leistungsgewicht (17,6 kW/t) sorgen für hohe Agilität im Gelände und auf der Straße. Die Werte der Mörserträgervariante dürften sich aufgrund des höheren Rüstsatzgewichtes teilweise von den Werten der Transportpanzervariante unterscheiden.

Waldemar Geiger