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Bundeswehr braucht rund 100 neue Bergepanzer – kann aber zwei Ukraine-Abgaben nicht ersetzen

Waldemar Geiger

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Als Carl von Clausewitz vor rund 200 Jahren die Zeilen „Es ist im Kriege alles sehr einfach, aber das Einfachste ist schwierig“ niederschrieb, hatte er sicherlich nicht die Ersatzbeschaffung von Waffensystemen, welche die Bundeswehr im Rahmen der Militärhilfe an die Ukraine abgegebenen hat, im Hinterkopf. Und doch doch trifft der Satz zu, zumindest wenn man sich die Causa rund um die Ersatzbeschaffung für zwei an die Ukraine abgegebene Bergepanzer 3 – in der Bundeswehr auch unter dem Namen Bergepanzer Büffel bekannt – genauer anschaut. Im Gegensatz zu den abgegebenen Kampfpanzern und Panzerhaubitzen wurden die zwei Büffel bis heute nicht nachbestellt. Die genauen Gründe dafür sind komplex.

Bergepanzer 3 in der Bundeswehr

Die Bundeswehr hatte in den in den Jahren 1992 bis 1997 insgesamt 75 Bergepanzer 3 beschafft, welche von der MaK, die später in Rheinmetall Landsysteme aufgegangen ist, gebaut wurden. Weitere Büffel-Nutzernationen sind Griechenland, Indonesien, Kanada, die Niederlande, Schweden, Schweiz, Singapur, Spanien, Sri Lanka, Tschechien, Ukraine und Ungarn. Alles in allem wurden bis heute mehr als 200 Bergepanzer 3 Büffel in unterschiedlichen Varianten hergestellt.

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Im Rahmen des Afghanistan-Einsatzes wurden insgesamt sechs Büffel der Bundeswehr auf den Rüststand A1 kampfwertgesteigert – zwei davon waren Rückläufer, die vorher an Kanada geleast wurden. Die restlichen 69 Systeme wurden bzw. werden noch auf den Rüststand A0A2 modernisiert.

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Hauptaugenmerk der Modernisierung ist die Ausstattung des Bergepanzers mit einer neuen Gefechtsfeld-Bergeeinrichtung am Heck und einer Universaltransportplattform über dem Triebwerksraum, wie sie auch schon beim A1 erfolgt ist. Mit der Verlagerung der Gefechtsfeld-Bergeeinrichtung ans Heck des Fahrzeuges können schwere Gefechtsfahrzeuge wie Kampfpanzer, Schützenpanzer oder Panzerhaubitzen bei Schäden nun unter Schutz angekoppelt und in zügiger Vorwärtsfahrt aus dem Gefahrenbereich geborgen werden.

Weitere Merkmale des A1, wie beispielsweise der verbesserte Minenschutz und die adaptierbare Schutzausstattung, werden bei der A0A2-Variante hingegen nicht realisiert. Weitere Entwicklungsschritte heißen A0A3 und A0A4, welche vergleichbar mit der A0A2-Variante sind, aber über modernisierte Führungsmittel (SEM 90 in Verbindung mit Führungssystem FüInfoSysH) verfügen.

Nachbeschaffung

Beobachter gehen davon aus, dass eine 1-zu-1-Nachbeschaffung des vor über 30 Jahren entwickelten Büffels, selbst in der A1- oder A0AX- Variante, nicht zweckmäßig wäre, da die mit einer 30-Tonnen-Krananlage ausgestatten Bergepanzer beim Anheben der schwereren Kampfpanzertürme modernster Leopard-2-Varianten in spezifischen Situationen an ihre Grenzen stoßen und darüber hinaus über einige Obsoleszenzen verfügen. Dem Vernehmen nach wurde deshalb eine Beschaffung von zwei Bergepanzern 3 A2 diskutiert, die Rheinmetall Anfang des Jahres erstmals öffentlich vorgestellt hat. Die neue Variante des Büffels soll über einen stärkeren Kran verfügen. Diese Pläne wurden aber offenbar schnell wieder verworfen, da eine Beschaffung der neugebauten Bergepanzer – samt der umgelegten Entwicklungskosten – Aussagen von Insidern zufolge einen Stückpreis von mehr als 30 Millionen Euro zur Folge gehabt hätte.

Da die Bundeswehr, neben der bereits erfolgten Abgabe der zwei Bergepanzer 3 Büffel, auch die Abgabe von 21 Bergepanzern 2 – welche auf dem Leopard-1-Fahrgestell aufgebaut sind und durch die Industrie zu Minenräumpanzern umfunktioniert werden sollen – an die Ukraine vorbereitet, wurde in einem nächsten Schritt der Plan ersonnen, insgesamt 23 neue Bergepanzer nachzuschaffen. Doch auch dieser Plan musste aufgrund nicht vorhandener Haushaltsmittel – die für die Wiederbeschaffung von abgegebenem Material vorgesehenen Mittel im Einzelplan 60 sind für das nächste Jahr bereits alle verplant – verworfen werden, wie ein Branchennewsletter Anfang September 2024 berichtete. Demnach hätte die Nachbeschaffung von 23 Bergepanzern rund 700 Millionen Euro gekostet. Wie hartpunkt aus gut unterrichteten Kreisen erfahren hat, bezieht sich diese Angabe auf einen internen Vermerk des BMVg von Mitte August 2024. Insider gehen davon aus, dass es sich bei den 700 Millionen Euro zudem nicht nur um einen reinen Nachbeschaffungspreis handelt, sondern auch weitere Kostenpunkte darin enthalten sind. Die reine Nachbeschaffung der 23 Bergepanzer 3 soll nur etwa die Hälfte der Summe veranschlagen.

Beobachter zweifeln zudem an, dass dieser Plan der Bundeswehr tatsächlich so umgesetzt werden könnte. Streitpunkt sind die 21 Bergepanzer 2. Im Gegensatz zur Nachbeschaffung der Bergepanzer 3 durch modernere Bergepanzer 3 A2, würde der Ersatz der Bergepanzer 2 durch Bergepanzer 3 keine 1-zu-1-Nachbeschaffung im eigentlichen Sinne darstellen, argumentieren die Kritiker des Planes gegenüber hartpunkt. Begründet wird diese Argumentation mit dem Umstand, dass es sich bei den zwei Panzern um zwei unterschiedliche Systeme handelt, da der Bergepanzer 3 keine modernere Variante des Bergepanzers 2 ist, sondern ein gänzlich anderer Panzer.

Dies alles wäre nicht der Rede wert, wenn die Bundeswehr nicht das „Luxusproblem“ hätte, dass gleich zwei deutsche Panzerbauer moderne und leistungsfähige Bergepanzer auf Leopard-2-Fahrgestell marktverfügbar im Angebot haben. Neben dem Bergepanzer 3 A2 von Rheinmetall wäre da noch der Wisent 2 der FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH (FFG) zu nennen. Die FFG vermarktet den Wisent 2 als multifunktionale Unterstützungsplattform. Der auf dem Fahrgestell des Kampfpanzers Leopard 2 A7V/A8 aufbauende Wisent 2 kann FFG zufolge dank seines Baukastenprinzips in wenigen Stunden von einem Bergepanzer zu einem Pionier- oder Minenräumpanzer umgebaut werden. Kanada, Katar, Norwegen, Ungarn, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie jüngst auch Dänemark haben sich für das Fahrzeug entschieden. FFG sieht den Wisent 2 daher auch als potenziellen Nachfolger für den Minenräumpanzer Keiler.

Beobachter gehen daher davon aus, dass die Flensburger Panzerschmiede eine potenzielle Direktvergabe der 21 Bergepanzer 2 an Rheinmetall juristisch anfechten könnten. Denn die Direktvergabe könnte das Tor für einen viel größeren Auftrag öffnen, da auch die restliche Bestandsflotte an Bergepanzern 2 nach rund 60 Jahren Dienst in der Bundeswehr über kurz oder lang abgelöst werden muss. Der Gesamtbedarf an neuen Bergepanzern in der Bundeswehr wird Beobachtern zufolge auf rund 100 Systeme geschätzt, die in den nächsten Jahren beschafft werden müssen.

Der internationale Bedarf wird auf eine ähnliche Anzahl beziffert, da mehrere Leopard-2-Nutzerstaaten in Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine die Kampfpanzerflotten modernisieren bzw. erweitern. Zudem sind seit 2022 mehrere weitere Leopard-2-Nutzer dazugekommen bzw. überlegen gerade – wie beispielsweise Litauen – Kampfpanzer dieses Typs in die Streitkräfte einzuführen. Beobachter halten es daher nicht ausgeschlossen, dass der Bedarf dieser Staaten über einen deutschen Rahmenvertrag gedeckt werden könnte, wie es beispielsweise bei dem Luftverteidigungssystem Iris-T SLM bereits erfolgt ist und für den Leopard 2 A8 derzeit vorbereitet wird.

Fazit

Der Einsatz moderner Kampfpanzer auf dem Gefechtsfeld erfordert gezwungenermaßen eine ausreichende Anzahl an Unterstützungspanzern wie Minenräum-, Pionier- oder Bergepanzern. Ohne solche Fahrzeuge bleiben Panzervorstöße an der ersten Minensperre liegen. Zudem müssen beschädigte Panzer aufgegeben werden, egal ob aus technischen Gründen oder feindlicher Einwirkung. Beides alltägliche Szenarien im Krieg, die dazu führen, dass die immobilen Kampfpanzer schnell zur Beute weitreichender Panzerabwehrsysteme, feindlicher Artillerie oder selbst einfacher Kampfdrohnen werden. Das Gefecht der verbundenen Waffen ist ohne adäquat ausgestattete Unterstützungstruppenteile nicht zu führen.

Daher ist es unverständlich, dass die Bundeswehr im Zuge der Modernisierung und des Aufwuchses der Kampfpanzerflotte nicht im Gleichschritt auch die Flotte der Unterstützungspanzer vergrößert bzw. auf den neusten Stand bringt. Marktverfügbare Optionen sind, wie oben bereits aufgeführt, in Genüge vorhaben. Die Streitkräfte haben daher sprichwörtlich die „Qual der Wahl“.

Waldemar Geiger