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Abschuss von „Spionagedrohnen“ für die Bundeswehr schwierig aber möglich

Waldemar Geiger

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Insbesondere seit Beginn der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland häufen sich Medienberichte, wonach Kasernen und Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr von Drohnen unbekannten Ursprungs ausspioniert werden. Eine Antwort des BMVg im Rahmen der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 9. Oktober 2024 auf eine mündliche Frage des CDU-Bundestagsabgeordneten Ingo Gädechens beschreibt die aktuelle Regelung bezüglich der Abwehr solcher Drohnen, offenbart aber auch eine aktuelle Fähigkeitslücke.

Gädechens wollte wissen, ob es der Bundeswehr möglich ist, eine Drohne, deren Herkunft unklar ist, die in der Nähe einer Bundeswehr-Liegenschaft über zivilem Gebiet fliegt und vermutlich Spionage betreibt, abzuschießen oder zu stören. Die kurze Antwort des BMVg lautet: ja dies ist möglich, jedoch nur unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Geregelt wird dies in § 9 Nr. 1 und 2 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw). Wie das BMVg weiter erklärt, ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Ausführung oder Fortsetzung einer Straftat gegen die Bundeswehr sowie zur Abwehr von sonstigen rechtswidrigen Störungen der dienstlichen Tätigkeit der Bundeswehr, welche die Einsatzbereitschaft, Schlagkraft oder Sicherheit der Truppe gefährden nicht an einen Militärischen Sicherheitsbereich gebunden. Sie kann also auch außerhalb von Bundeswehrliegenschaften ausgeübt werden, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

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Diese gesetzlichen Voraussetzungen regelt unter anderem der § 44 Abs. 1 Nr. 17d in Verbindung mit § 21h Abs. 3 Nr. 3 der Luftverkehrs-Ordnung, wonach der „ungenehmigte Überflug einer militärischen Anlage mit einem unbemannten Fluggerät über und innerhalb eines seitlichen Abstands von 100 Metern von der Begrenzung von militärischen Anlagen eine Ordnungswidrigkeit“ darstellt und zugleich eine rechtswidrige Störung der dienstlichen Tätigkeit der Bundeswehr im Sinne des UZwGBw bedeutet.

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Zugleich verweist das BMVg darauf, dass ein solcher Flug im Einzelfall auch eine Straftat im Sinne des § 62 Luftverkehrsgesetzes bzw. des § 315 (Gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr), § 315a (Gefährdung des Luftverkehrs) oder § 109g (sicherheitsgefährdendes Abbilden) des Strafgesetzbuches sein kann.

Weiterhin führt das Verteidigungsministerium aus, dass das „Entfernen von Drohnen aus dem Luftraum als eine Form der Gefahrenabwehr“ eine grundsätzlich eine polizeiliche Aufgabe ist. „Für polizeiliche Maßnahmen anlässlich verdächtiger nicht-militärischer Drohnenüberflüge an und im Umfeld von Bundeswehrstandorten sind grundsätzlich die Polizeien der Länder zuständig. Deren Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr bleibt von den zuvor benannten Vorschriften unberührt. Die Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden der Länder schließt die Aufklärung und Verfolgung von Spionagetätigkeiten als strafbewehrte Handlungen mit ein. Dies gilt insbesondere bei einem bloßen „Gefahrenverdacht“, d.h. wenn die o.g. Voraussetzungen nach § 9 Nr. 1 und 2 UZwGBw (noch) nicht vorliegen“, so die BMVg Antwort.

In einem zweiten Teil der Frage wollte Gädechens wissen, ob es spezifische Vereinbarungen zwischen der Bundeswehr und der Bundespolizei bzw. den Landespolizeien gibt, um mit solchen Fällen umzugehen. Die Antwort des BMVg darauf lautet nein. Abseits der beschriebenen gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen „gibt es keine Vereinbarungen zwischen der Bundes- und der Landesebene zur Bekämpfung von Drohnen“, so das BMVg.

Der CDU-Abgeordnete und Mitglied im Haushaltsausschuss bewertet die Antwort des BMVg kritisch. „Immer wieder hört man, dass die Ausspionierung von Bundeswehrliegenschaften – besonders solche, wo Ukrainer ausgebildet werden – mittels kleiner Drohnen ein großes Problem ist und Soldatinnen und Soldaten nichts gegen dagegen tun können. Dass aber reihenweise suspekte Drohnen vom Himmel geholt werden, höre ich nirgendwo“, so Gädechens gegenüber hartpunkt. Der Oppositionsabgeordnete kritisiert insbesondere den Umstand, dass seitens des BMVg ausschließlich auf die geltende Rechtslage verwiesen wird, ohne dass die praktische Umsetzung vor Ort geregelt ist.

Gegenüber der Redaktion fragt er sich: „Hat die Bundeswehr eine Vorschrift erlassen, dass Soldatinnen und Soldaten eine verdächtige Drohne abschießen dürfen? Darf also die rechtliche Erlaubnis zur Abwehr auch praktisch vor Ort umgesetzt werden? Dazu sagt das Ministerium kein Wort.“ Zudem beanstandet Gädechens, „dass das Verteidigungsministerium bei diesem enorm wichtigen Problem der nationalen Sicherheit bisher keine Notwendigkeit gesehen hat, Vereinbarungen mit den zuständigen Bundesländern und den dortigen Polizeien zu treffen“. Angesichts der Brisanz des ganzen Themas hätte er schon seit Monaten erwartet, „dass das Verteidigungsministerium alle Hebel in Bewegung setzt und Bundeswehrliegenschaften effektiv gegen Spionage zu schützen. Liest man die Antwort des Ministeriums, hat man aber das Gefühl, dass diese Brisanz immer noch nicht erkannt wurde.“

Fähigkeitslücke Schutz vor Drohnen

Mit der Kritik trifft der Oppositionspolitiker durchaus ins Ziel, denn trotz der seit über einem Jahrzehnt potenziell drohenden Gefahr – so lange lässt sich der Missbrauch von Kleinstdrohnen für militärische Zwecke zurückverfolgen – hat sich die Fähigkeit der Bundeswehr zum Schutz von Drohnen im Inland nicht spürbar weiterentwickelt. Weder die Existenz des UZwGBw noch der übrigen aufgeführten Gesetze hat dazu geführt, dass Ausspähversuche mittels Drohnen ausgeblieben wären. Das Gegenteil ist der Fall, die Problematik verschärft sich zunehmend.

In Anbetracht dieser Tatsache reicht auch die hypothetische Möglichkeit der Soldaten nicht aus, Drohnen rechtssicher vom Himmel holen zu können, denn in der Praxis hat die Truppe in der Breite nur die Möglichkeit, die Polizei zu rufen oder zu versuchen, die Drohne mittels Handwaffen – über die die Wachmannschaft verfügt – abzuschießen. Beides mehr als unzufriedenstellende Optionen.

Plakativ wird dies anhand des folgenden Beispiels: Soldaten erkennen eine Drohne in der Nähe der Kaserne. Wenn die Soldaten die Drohne mit bloßem Auge sehen können, bedeutet dies auch, dass die Drohne die Soldaten mittels ihrer Optik sehen kann. Ob die Drohne die Soldaten oder die Kaserne ausspioniert, oder ob da jemand einfach aus Sorglosigkeit fliegt, lässt sich durch die Soldaten am Boden nicht feststellen. Also besteht nur ein Verdacht der Spionage, ergo besteht nur die Möglichkeit die Polizei zu rufen. In der Praxis wird die Polizei jedoch auch wenig helfen können, denn auch diese verfügt über keine querschnittliche Ausstattung, um den Drohnenflug zu unterbinden, wenn es nicht zufällig gelingen sollte, den Piloten der Drohne zu finden. Der jüngst publik gewordene Fall in Brunsbüttel lässt grüßen.

In einer Abwandlung des Beispiels fliegt die hypothetische Drohne nicht einfach nur entlang des Kasernenzauns, sondern trägt eine sichtbare Nutzlast, die geeignet erscheint, um Bundeswehrfahrzeuge zu beschädigen. Die angesprochenen Wachsoldaten erkennen die Drohne wie sie in Richtung des technischen Bereiches fliegt, wo viele Fahrzeuge abgestellt sind. In einem solchen Fall dürften die Soldaten gemäß UZwGBw die Drohne vom Himmel holen, müssten jedoch die Verhältnismäßigkeit wahren. Und genau hier liegt das Problem. Das einzige geeignete Mittel, über das die Soldaten verfügen, ist das Sturmgewehr oder die Pistole der Wachmannschaft. Beides sind Waffen, die theoretisch die Möglichkeit bieten, eine Drohne auf kurze Distanzen – im besten Fall 200 bis 300 m – abzuschießen. Praktisch sind die Erfolgschancen dafür sehr gering. Hinzu kommt die Problematik, dass die Soldaten die potenzielle Hintergrundgefährdung der Schüsse in die Luft nicht beurteilen können. Ein in die Luft geschossene Kugel könnte je nach Winkel in ein bis zwei Kilometern runterkommen und dort entsprechenden Schaden anrichten. So verletzte beispielsweise 2004 eine Gewehrkugel ein vierjähriges Kind, das zusammen mit seiner Kindergartengruppe in einem Wald rund 600 m entfernt von einem Bundeswehrschießstand gespielt hatte. Die Ermittlungen ergaben, dass ein auf dem Schießstand abgegebener Schuss aus einem G36-Sturmgewehr vermutlich über den Geschossfang abgefeuert worden sein musste. Wäre der Einsatz der Waffen der Wachmannschaft gegen eine Drohne verhältnismäßig, wenn ein potenzieller Sachschaden vielleicht abgewehrt werden könnte, gleichzeitig aber ein Personenschaden nicht auszuschließen ist? Eine abschließende Antwort darauf dürfte wohl nur ein Gericht liefern.

Genau hier offenbart sich die Fähigkeitslücke der Bundeswehr. Diese verfügt nicht über Mittel, um sich flächendeckend und verhältnismäßig vor Drohnen zu schützen, obwohl solche Mittel verfügbar wären – die Beschaffung würde jedoch viel Geld kosten. Auf dem Markt gibt es eine Reihe von Systemen, die Drohnen effektiv detektieren und klassifizieren können. Zudem werden auch Abfangdrohnen angeboten, die potenziell gefährliche Drohnen mittels Netzen zum Absturz bringen können, ohne dass unbeteiligte Personen gefährdet werden.

Waldemar Geiger