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Aktuelle Rüstungsprojekte: Unionsfraktion sieht Verstöße gegen Haushaltsrecht

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Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag kritisiert bei den heute im Haushaltsausschuss gebilligten 25-Mio-Vorlagen zur Beschaffung von Rüstungsgütern gleich mehrere Abweichungen vom geltenden Haushaltsrecht und der gängigen Haushaltspraxis.

Besonders mit Blick auf die Vorlagen zum Kampfpanzer Leopard 2 A8, zu den Patriot-Luftverteidigungssystemen, zur 155mm-Artilleriemunition sowie zu den 100 Lenkflugkörpern Patriot GEM-T sei ein Kontrollverlust bei den Bundeswehrbeschaffungen festzustellen, heißt es in einer Mitteilung des Büros von CDU-Verteidigungspolitiker und Mitglied im Haushaltsausschuss Ingo Gädechens. Dem Anliegen, Pistorius als durchsetzungsstarken Macher darzustellen, werde alles untergeordnet, heißt es darin.

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Im Ergebnis bleiben die Beschaffungsvorhaben laut Gädechens für sich zwar militärisch richtig. In der Gesamtschau ergeben sich seiner Ansicht zufolge aber gravierende Bedenken hinsichtlich der Haushaltspraxis, da keine Auskünfte über die Finanzierungsgrundlagen erteilt werden. Laut Haushaltsrecht seien überdies endverhandelte Verträge vorzulegen.

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Vor diesem Hintergrund hat die Unionsfraktion einen eigenen Antrag eingebracht. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Haushaltsausschuss Beschaffungsvorlagen zukünftig nur noch vorzulegen, wenn sie in Übereinstimmung mit der Haushalts- und Finanzplanung und des geltenden Haushaltsrechts stehen.

Die Fraktion fordert, dass nur noch endverhandelte Verträge präsentiert werden. Des Weiteren heißt es in dem Antrag: „Sollte eine Beschaffungsvorlage, die finanzielle Verpflichtungen im jeweils aktuellen Finanzplanzeitraum mit sich bringt, nur aufgrund von Einsparungen in gleicher Höhe bei anderen Haushaltstiteln – sowohl hinsichtlich des Ansatzes im laufenden Haushaltsjahr, als auch hinsichtlich etwaiger notwendiger Verpflichtungsermächtigungen – finanzierbar sein, ist dem Haushaltsausschuss zukünftig transparent darzulegen, auf welche Beschaffungsvorhaben ganz oder teilweise verzichtet wird, um die entsprechenden Einsparungen zu erbringen.“ Dies sei weder bei der Beschaffung von 105 Kampfpanzern Leopard 2 A8, bei denen es um rund 2,2 Milliarden Euro geht, zulasten des Sondervermögens Bundeswehr noch bei der Beschaffung von drei Patriot-Feuereinheiten zulasten des Einzelplans 14 der Fall.

Leopard 2 A8

Nach Ansicht der Unionspolitiker werden die Kampfpanzer Leopard dringend benötigt, um die Brigade Litauen auszustatten und die vorhandenen Lücken des Heeres zu schließen. Wie diese Kampfpanzer aber bezahlt werden sollen, sei jedoch vollkommen unklar. Für den Hauptteil der Kosten, die ab 2028 und damit nach Verausgabung des Sondervermögens Bundeswehr fällig werden, sollen laut CDU/CSU Verträge unterschrieben werden, ohne zu erklären, wo das Geld herkommen soll. „Mit dem Haushalt 2025 wird die Ampel mindestens für das Jahr 2028 erklären müssen, wie die zahlreichen Beschaffungsvorhaben nach dem Sondervermögen Bundeswehr weiterfinanziert werden sollen.“

Rund 460 Millionen Euro braucht das Verteidigungsministerium bis 2027 der Mitteilung zufolge für den Leopard – und wolle dies aus dem Sondervermögen Bundeswehr finanzieren. Welches andere Beschaffungsvorhaben dafür gestrichen wird, bleibe unklar.  

Überdies wolle das Verteidigungsministerium einen Betrag von weit über 600 Millionen Euro für eine Verfügbarkeitsgewährleistung beim Leopard ausgeben. Der Vertrag dazu liege aber nicht vor. Das widerspreche dem Haushaltsrecht: Der Haushaltsausschuss kann nur Vorhaben billigen, bei denen der Finanzbedarf hinreichend präzisiert ist – dazu sei ein endverhandelter Vertrag notwendig.

Patriot-Luftverteidigungssysteme

Nach Ansicht der Union bleibt bei der Beschaffung von vier Patriot-Luftverteidigungssystemen unklar, wie ab 2028 die Finanzierung erfolgen soll. Bis 2027 wolle das Ministerium die Kosten in Höhe von über 200 Millionen Euro aus dem regulären Beschaffungshaushalt – Kapitel 1405 – gegenfinanzieren. Dabei verweigere das Ministerium eine Aussage, bei welchem Vorhaben das Geld eingespart werden soll. Dem Parlament fehle also die wichtigste Information für eine Entscheidung, weil die damit verbundene Priorisierung von Beschaffungsentscheidungen nicht erläutert wird.

Bemerkenswert sei auch, dass das Ministerium vier Feuereinheiten beschaffen möchte. Drei dienten der Aufstockung der Bundeswehrbestände und sollen schwerpunktmäßig ab 2028 bezahlt werden, wiederum außerhalb des aktuellen Finanzplanzeitraums. Eine Feuereinheit werde nach Abgabe an die Ukraine wiederbeschafft und komplett im Jahr 2024 bezahlt – obwohl die Auslieferung erst Ende der 2020er Jahre zu erwarten sei. Die Begründung für die diese Zahlungsmodalitäten ist der Mitteilung zufolge einfach: In den Titeln für Wiederbeschaffungsmaßnahmen sei in diesem Jahr noch ausreichend Geld verfügbar, daher solle es ausgegeben werden, um mit einem möglichst hohen Mittelabfluss den Erfolg der Bundeswehrbeschaffung zu suggerieren.

155mm-Artilleriemunition

Um den dringenden Munitionsmangel insbesondere bei der Artilleriemunition zu beheben, will das Verteidigungsministerium einen weiteren Vertrag zur 155mm-Artilleriemunition schließen, was die Union ebenfalls begrüßt. Das Ministerium habe aber erst nach intensiver Befragung eingeräumt, auch in diesem Vertrag ausschließlich Geschosse zu beschaffen. Dabei gebe es einen erheblichen Preisunterschied im Vergleich zum jüngst geschaffenen 155mm-Artilleriemunitionsvertrag mit einem anderen Anbieter.

Dabei dürfte es sich vermutlich um einen mit Rheinmetall geschlossenen Vertrag handeln. Wie aus gut informieren Kreisen zu vernehmen ist, soll der Wert der heutigen 25-Mio-Vorlage für Munition bei 1,3 Milliarden Euro liegen.

Mit beiden Abrufen, die übrigens nicht einmal 10 Prozent der in den Medien kolportieren Umfänge der beiden Rahmenvereinbarungen ausmachten, würden jeweils 200.000 Geschosse beauftragt, heißt es in der Mitteilung. Allerdings kosten die Geschosse bei dem heute beratenen Abruf rund 50 Prozent mehr als bei dem anderen Vertrag. Es stelle sich die Frage, „ob es in Zeiten einer dramatischen Unterfinanzierung im Bereich des Verteidigungshaushaltes und des Gesamthaushaltes vertretbar ist, einen Betrag von deutlich über 400 Millionen Euro für dieselbe Leistung mehr auszugeben als bei einem anderen Anbieter“, heißt es in der Mitteilung. Das Ministerium habe dem Haushaltsausschuss die Notwendigkeit der Mehrkosten nicht begründet.

100 Lenkflugkörper Patriot GEM-T

Laut Union liegt auch bei der Beschaffung der Lenkflugkörper Patriot GEM-T kein endverhandelter Vertrag, sondern nur ein unverbindliches Angebot vor. „Wie viel das Verteidigungsministerium letztendlich für die Lenkflugkörper bezahlen muss – und wann genau bezahlt werden muss –, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar“, heißt es in der Mitteilung. Das widerspreche dem Haushaltsrecht.

Gädechens sieht Kontrollverlust  

Nach Aussage von Ingo Gädechens, Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für den Verteidigungshaushalt, bleibt die Regierung weiterhin eine Antwort schuldig, wie die finanziellen Verpflichtungen ab 2028 beglichen werden sollen. „Dass das Verteidigungsministerium aber hohe dreistellige Millionenbeträge bis 2027 ausgeben will und diese von anderen Beschaffungsvorhaben abzieht – ohne ein einziges Wort zu verlieren, welche anderen Beschaffungsvorhaben aufgegeben werden –, ist eine neue Qualität der unseriösen Beschaffung“, kritisiert der CDU-Politiker.

Neben den Problemen bei der Finanzierung sei auch erschreckend, dass das Verteidigungsministerium in zwei Fällen keine endverhandelten Verträge vorgelegt habe. „Damit soll der Haushaltsausschuss auf Wunsch der Regierung Blankoschecks ausstellen – was am Ende beschafft wird und wie viel es kostet, weiß das Parlament nämlich nicht. Nicht nur bei den Finanzen, auch bei der Qualität der Beschaffungsvorlagen erleben wir einen Kontrollverlust, der nur durch die immer lauteren Jubelmeldungen aus dem Bendlerblock überstrahlt werden soll“, so Gädechens.
lah