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Bundestag beschließt Entkopplung des Verteidigungshaushaltes von der Schuldenbremse

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Der 20. Deutsche Bundestag hat heute den von SPD und CDU/CSU eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes gebilligt und dadurch eine Entkopplung des Verteidigungshaushaltes von der Schuldenbremse beschlossen. Namentlich stimmten 512 Abgeordnete für das Gesetz, 206 votierten dagegen, es gab keine Enthaltung, wie es auf der Seite des Bundestages heißt.

Für die Annahme des Entwurfs war eine Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten notwendig. Im 20. Deutschen Bundestages liegt die Marke bei mindestens 489 Stimmen. Das Gesetz wird nun im Bundesrat zur Abstimmung gestellt werden. Auch dort ist eine Zweidrittelmehrheit für die Annahme notwendig. 

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Nach dem beschlossenen Gesetz soll künftig in den Artikeln 109 und 115 GG geregelt werden, dass die Ausgaben für Verteidigung und bestimmte sicherheitspolitische Ausgaben ab einer Höhe von einem Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts von der Schuldenregel ausgenommen sind. 

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Konkret soll der Satz in Artikel 109 lauten: „Von den zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten ist der Betrag abzuziehen, um den die Verteidigungsausgaben, die Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten 1 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt übersteigen.“

Darüber hinaus soll im Grundgesetz die Einrichtung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro „für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ ermöglicht werden. Die in diesem Rahmen aufgenommenen Kredite sollen ebenfalls von der Schuldenregel ausgenommen werden. Zudem soll den Ländern ein Verschuldungsspielraum bei der Aufstellung ihrer Haushalte eingeräumt werden. 

Im Kontext der Abstimmung über den Gesetzentwurf nahmen die Abgeordneten auch einen Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen an. Die künftige Bundesregierung wird darin aufgefordert, die Finanzierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Kernhaushalt abzusichern.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Friedrich Merz, ging in der Debatte auf die internationale Lage und die Sicherheitslage in Europa ein. Putin führe einen Angriffskrieg gegen Europa und nicht nur gegen die territoriale Integrität der Ukraine. Dies erfordere einen „Paradigmenwechsel in der Verteidigungspolitik“. Noch könne Europa nicht alleine, sondern nur gemeinsam mit den USA verteidigen, aber es müsse Schritt für Schritt in Richtung einer eigenständigen europäischen Verteidigung und einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft gehen. 

Merz rechtfertigte auch den geplanten Sonderfonds mit den Umständen. Es gebe einen über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte aufgelaufenen Erneuerungsbedarf bei der Infrastruktur, sagte er. Das Sondervermögen bedeute aber nicht, dass der Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte geringer werde. Eine höhere Verschuldung bedeute höhere Zinsausgaben und führe zu einem erheblichen Konsolidierungsdruck. Merz betonte die Notwendigkeit einer „umfassenden Modernisierung des Gemeinwesens“.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Lars Klingbeil sprach in der Debatte von einer „historischen Entscheidung“. Sie könne ein „positiver Aufbruch für Deutschland und Europa“ sein. Mit Blick auf die internationale Lage betonte Klingbeil, dass Deutschland nun Führungsverantwortung in Europa übernehmen müsse. Von der Entscheidung gehe auch ein klares Signal aus:  „Wir werden alles tun, um den Frieden in Europa aufrechtzuerhalten.“ 

Für die Bundesregierung unterstrich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Notwendigkeit der Änderungen. „Wir stehen vor Entscheidung von historischer Bedeutung“ – davon hänge die Sicherheit und Zukunft des Landes ab, sagte der Sozialdemokrat. Europa müsse sicherheitspolitisch erwachsen werden, die Entscheidung dulde keinen Aufschub. Künftig müsse gelten: „Bedrohungslage geht vor Kassenlage.“ 

Sondervermögen für die Infrastruktur

Der Passus zum Sondervermögen soll in Artikel 143h verankert werden. Die Zweckbestimmung soll nun „für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ lauten. 

Das Volumen soll 500 Milliarden Euro betragen. Die Kreditaufnahme soll nicht der Schuldenregel des Grundgesetzes unterliegen. 100 Milliarden Euro davon sollen den Ländern für Investitionen zur Verfügung gestellt werden. Weitere 100 Milliarden Euro sollen in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Investitionen sollen laut Entwurf über einen Zeitraum von zwölf Jahren bewilligt werden können. Der ursprüngliche Entwurf sah eine Laufzeit von zehn Jahren vor.

Das Gesetz sieht auch das Kriterium der Zusätzlichkeit für die Investitionen vor. „Zusätzlichkeit liegt vor, wenn im jeweiligen Haushaltsjahr eine angemessene Investitionsquote im Bundeshaushalt erreicht wird“, soll es dazu im Grundgesetz heißen. Zur Begründung heißt es, dies sei „dann der Fall, wenn der im jeweiligen Haushaltsjahr insgesamt veranschlagte Anteil an Investitionen 10 vom Hundert der Ausgaben im Bundeshaushalt ohne Sondervermögen und finanzielle Transaktionen übersteigt“. Das Kriterium bezieht sich nicht auf die Mittel, die den Ländern für Investitionen zur Verfügung gestellt werden sollen.

Einzelheiten zu dem Sondervermögen sollen einfachgesetzlich geregelt werden. Das gilt auch für den Umgang mit den Investitionsmitteln für die Länder.
lah