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Deep Precision Strike Missile: Pistorius kündigt Absichtserklärung an

Lars Hoffmann

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Bereits im April hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius öffentlich gemacht, zusammen mit Frankreich die Entwicklung einer weitreichenden Abstandswaffe untersuchen zu wollen. Heute kündigte er während der Pressekonferenz im Rahmen eines Treffens mit seinen französischen und polnischen Amtskollegen im Rahmen des sogenannten Weimarer Dreiecks in Paris an, weitere Partner an dem Vorhaben beteiligen zu wollen. Die Idee sei, bis zum bevorstehenden NATO-Gipfel in Washington eine Gruppe von europäischen Staaten zusammenbringen, die sich darauf verständigen, gemeinsam die Fähigkeitslücke bei Abstandswaffen großer Reichweite zu schließen, sagte Pistorius. In Washington solle dann dazu eine Letter of Intent unterschrieben werden.

Wie hartpunkt bereits vor einigen Wochen aus Kreisen der französischen Regierung erfahren hat, schlägt Paris vor, die Missile de Croisière Naval (MdCN) – also einen Marinemarschflugkörper – als Basis für die Entwicklung der neuen Abstandswaffe zu verwenden. Das bestätigte Frankreichs Verteidigungsminister Sebastien Lecornu heute indirekt in seinen Ausführungen während der Pressekonferenz. Die technologische Kompetenz für die Entwicklung einer Deep Precision Strike Missile sei bereits vorhanden, sagte er und nannte im gleichen Atemzug die MdCN. Auch Polen zeige Interesse, so Lecornu.

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Auf der Messe Eurosatory in Paris in der vergangenen Woche demonstrierte der europäische Lenkflugkörper-Spezialist und MdCN-Hersteller MBDA ein Modell und machte den Vorschlag, die Waffe auch in einer Boden-Boden-Variante zu entwickeln. Der Vorschlag sieht vor, den Flugkörper auf einem Lkw zu montieren. Der Vorteil gegenüber einer aus der Luft-gestarteten Rakete sei, dass eine vom Fahrzeug gelaunchte MdCN-Variante leichter zu verstecken und schwerer zu entdecken sei und damit für den Gegner eine ständige Bedrohung darstelle.

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MBDA schlägt eine Lösung vor, in der vier Flugkörper pro Lkw installiert sind, mehrere solcher LkW bilden mit einem Command-and-Control-Fahrzeug eine Feuereinheit. Es seien allerdings auch andere Konfigurationen denkbar, so ein MBDA-Experte. Die Reichweite gab er mit „deutlich über 500 km“ an. Der fast 1.400 kg schwere Marschflugkörper verfügt laut Hersteller über einen 250-kg-Gefechtskopf. Die MdCN sei in Europa entwickelt worden und enthalte keine Komponenten, die dem ITAR-Exportkontrollregime der USA unterliegen. Es handele sich um ein französisches Programm. Die MdCN sei überdies konform mit dem Missile Technology Control Regime.

Laut MBDA weist die Waffe einen sehr geringen Radar-Querschnitt auf und sei deshalb schwer zu detektieren. Aufgrund ihrer Charakteristika dürfte sie vermutlich in der gleichen Leistungsklasse wie amerikanische Tomahawk-Marschflugkörper eingeordnet werden.

Die Anpassung für die Boden-Boden-Anwendung ist laut MBDA in kurzer Zeit möglich. Zwar werde die MdCN gegenwärtig nicht produziert, die Produktionsanlagen stünden jedoch bereit.

Erst im April 2024 hatte die französische Marine demonstriert, dass sie eine von einem U-Boot und eine von einer Fregatte gestartete MdCN so synchronisieren kann, dass diese fast zeitglich im Ziel detonieren. Laut französischem Verteidigungsministerium haben die Schiffe nachgewiesen, dass sie aus großer Entfernung und mit selektiver Präzision Ziele von hoher Bedeutung treffen können. Dies ermögliche es, bereits in den ersten Momenten einer Krise eine militärische Bedrohung darzustellen und dadurch auf den Gegner einzuwirken.

Ob Verteidigungsminister Pistorius auch auf die relativ kurzfristig verfügbare Missile de Croisière Naval als Basis für den neuen Flugkörper setzt, geht aus seinen Ausführungen nicht hervor. Er sprach lediglich davon, dass die Fähigkeitslücke in Europa bei den Abstandswaffen „mittel- bis langfristig“ geschlossen werden solle.

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass das BMVg kurz davorsteht, für die norwegisch-deutsche Entwicklung des Seeziellenkflugkörpers mit großer Reichweite Tyrfing (Super Sonic Strike Missile – 3SM) über 600 Millionen Euro auszugeben. Die Waffe soll dem Vernehmen nach ab 2035 für den Einsatz von deutschen Fregatten zur Verfügung stehen und eine Reichweite von bis zu 1.000 km aufweisen.

Da gegenwärtig offenbar Tests laufen, wie die vom norwegischen Kongsberg-Konzern produzierte Naval Strike Missile in das Boden-Boden-Werfersystem PULS integriert werden kann, könnte sich auch für die 3SM Tyrfing eine vergleichbare Anwendung anbieten, denn die Waffe soll auch gegen Hochwertziele an Land einsetzbar sein.

Lars Hoffmann