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Deutschlands militärischer Flugzeugbau steht vor Herausforderungen

Lars Hoffmann

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Noch wenige Tage sind es bis zum Start der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in der kommenden Woche in Berlin, bei der Militärtechnik einen prominenten Platz einnehmen wird. Neben Ausstellern aus dem Ausland präsentieren auch die deutschen Player im Bereich der militärischen Luftfahrt ihre Produkte und Zukunftskonzepte.

Dabei stellt sich die Zukunft für die heimische Branche nicht nur rosig dar. Insbesondere der Primus und einzige Kampfflugzeugbauer hierzulande, Airbus Defence and Space (ADS), steht vor großen Herausforderungen. So ist der Konzern bemüht, eine fünfte Tranche des Kampfflugzeugs Eurofighter in seine Auftragsbücher zu bekommen. Denn ohne eine baldige Beauftragung könne die komplexe Lieferkette mit zahlreichen Unterauftragnehmern abreißen, fürchtet das Unternehmen. Schon ab 2030 würde es dann womöglich zum Stillstand der Produktion kommen, mit gravierenden Auswirkungen für die Beschäftigten und das technische Know-how im deutschen Flugzeugbau, warnt das Unternehmen. Laut einer Ende vergangenen Jahres erschienenen Studie von PWC Strategy soll allein das Eurofighter-Programm in Deutschland 25.000 Arbeitsplätze sichern helfen.

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Vor diesem Hintergrund hat ADS-CEO Michael Schöllhorn erst kürzlich in einem Spiegel-Interview eine verlässliche Zusage der Bundesregierung für die Bestellung von etwa 50 weiteren Eurofightern in einer 5. Tranche vor der Bundestagswahl gefordert, um die veralteten Kampfflugzeuge des Typs Tornado zu ersetzen.

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Neben einer Beschaffung in der geforderten Größenordnung wird gegenwärtig offenbar noch eine andere Option diskutiert: Dabei steht der Kauf einer deutlich verkleinerten Tranche in einer Größenordnung von mindestens 20 Maschinen im Raum. Technologisch würden die neuen Flieger im Wesentlichen der gegenwärtig in Produktion befindlichen Tranche 4 mit 38 Maschinen, auch als Projekt Quadriga bezeichnet, entsprechen.

Denn eine Entwicklung der Flugzeug-Konfiguration Long Term Evolution (LTE), die eigentlich für die 5. Tranche vorgesehen war, dürfte bis zum voraussichtlichen Produktionsende von Quadriga im Jahr 2030 nicht möglich sein. Danach müsste sich aber die Fertigung der neuen Flugzeuge – man spricht jetzt von einer Tranche 5a – nahtlos anschließen, um Friktionen zu vermeiden. Nun kommt es darauf an, die notwendigen Finanzmittel zu beschaffen, die bei mindestens drei Milliarden Euro liegen, wie es aus Parlamentskreisen heißt.

Bild: Eurofighter GmbH

Sollte dies gelingen, stellt sich die Frage, ob noch genug Geld für die LTE-Entwicklung vorhanden sein wird. Dies wäre jedoch erforderlich, um das Flugzeug bis zum projektierten Dienstzeitende im Jahr 2060 auf einem modernen Stand zu halten. Im Rahmen von LTE soll nach den Vorstellungen von Airbus unter anderem eine neue Avionik-Architektur, moderne Rechner und die Möglichkeit zur Satellitenkommunikation eingerüstet werden. Auch ein zeitgemäßes Cockpit ist vorgesehen. Der Wesenskern von LTE ist dem Vernehmen nach die moderne Rechnerarchitektur, die eine Grundvoraussetzung für viele weitere Fähigkeiten des Kampfflugzeugs darstellt.

Airbus setzt auf Entwicklung des „Wingman“

Insgesamt soll der LTE-Eurofighter dazu befähigt werden, unbemannte Begleitflieger, sogenannte Wingmen, zu führen, die auch im Rahmen des Future Combat Air System (FCAS) entwickelt werden sollen. Dabei handelt es sich um ein unbemanntes Flugzeug, das mit umfangreichen Fähigkeiten versehen ist, und den Kampfflieger auch bei hoher Geschwindigkeit begleiten kann.

„Der Wingman ist ein nationales Technologievorhaben, das den Weg ins FCAS im Jahr 2040 komplementär begleiten soll. Er soll in den 2030ern schrittweise in Dienst gestellt werden und mit aktuellen bemannten Waffensystemen wie dem Eurofighter operieren“, teilte dazu ein Airbus-Sprecher auf Anfrage mit. Das deutet darauf hin, dass Airbus in den kommenden Jahren einen Schwerpunkt auf die Entwicklung eines solchen Flugzeugtyps legen will und Deutschland dabei der Hauptfinanzier sein wird. Insider gehen davon aus, dass für den Wingman-Einsatz drei Elemente die Grundvoraussetzung bilden: Neben dem Wingman an sich ist eine Modernisierung des Eurofighters auf den LTE-Standard notwendig. Nur dieser soll über die notwendige Rechnerleistung für die Führung der unbemannten Systeme verfügen. Das dritte Element bildet die sogenannte Teaming-Software als Verbindungselement zwischen Kampfflugzeug und den unbemannten Wingmen.

Beobachter rechnen damit, dass Airbus das Modell eines solchen Wingman auf der ILA präsentieren wird, um einen Blick in die Zukunft der kollaborativen Luftkriegsführung zu geben.

Dem Vernehmen nach wird es sich um eine für den Luftkriegseinsatz höchster Intensität entwickelte „Kampfdrohne“ der Acht- bis Zehn-Tonnen-Klasse handeln. Das System wird über einen internen Waffenschacht sowie externe Waffenaufnahmepunkte verfügen. Um im Verbund mit den Eurofightern wirken zu können, wird das System über ein Düsentriebwerk verfügen, welches den Wingman auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigen kann. Wie von Airbus in der Vergangenheit in Konzepten bereits vorgestellt, dürfte der zukünftige Wingman nur ein Bestandteil eines Familienkonzeptes sein. Die Luftkriegsführung der Zukunft erfordert Experten zufolge unterschiedliche Größenklassen von unbemannten Systemen, wie sie auch schon bei den Remote Carriern von FCAS angelegt sind. Die unbemannten Systeme sollen dabei modular aufgebaut sein. Zudem werden sie den Planungen zufolge als Bestandteil eines hoch integrierten Sensor- und Wirkverbundes hochvernetzt und daher zum kollaborativen Einsatz, auch als Schwarm, befähigt. Der Wingman soll demnach die größte Klasse darstellen. Das Einsatzkonzept sieht vor, dass die Wingmen-Kampfdrohnen wiederverwendbar sind und daher mit einer umfangreichen Selbstschutzausstattung versehen werden, während die kleineren Systeme teilweise als wiederverwendbar, teilweise für die Einwegnutzung konzipiert werden.

Um technologisch nicht gegenüber Playern in den USA, Europa und Asien zurückzufallen, dürfte es für Airbus sehr wichtig sein, möglichst früh mit der Phase 2 von FCAS beauftragt zu werden, um die Entwicklungen nahtlos fortzusetzen. Am besten noch mit ausreichend Abstand zur Bundestagswahl im Herbst 2025. Denn sonst bestünde die Gefahr, dass das Projekt im Wahlkampf untergeht.

FCAS bietet eine große Chance für Airbus Defence and Space. Denn während der französische Konzern Dassault den Lead beim sogenannten New Generation Fighter hat, dem Kampfflugzeug der nächsten Generation, hat ADS die Führung im sogenannten FCAS-Pillar der unbemannten Systeme unterschiedlicher Kategorien. Diese sollen das Kampfflugzeug begleiten oder gegebenenfalls voranfliegen. In diesem Zusammenhang ist auch das Konzept eines „Loyal Wingman“ vorgesehen.

Beim Blick auf die gegenwärtig in der Ukraine zu beobachtende dicht gestaffelte Luftverteidigung, bei der klassische Kampfjets nur unter hohem Risiko in den gegnerischen Luftraum eindringen können, scheint es, dass unbemannte Systeme weiter an Bedeutung gewinnen.

Besatzungslose Flugzeuge sind womöglich auch beim elektronischen Angriff besser als bemannte geeignet, weil in den für die gegnerische Luftverteidigung einfach detektierbaren Maschinen kein Bordpersonal gefährdet wird. Hier bleibt abzuwarten, wie sich das von der Bundeswehr vorangetriebene Projekt LuWES (Luftgestützte Wirkung im elektromagnetischen Spektrum) weiterentwickelt. Sollten die Pläne von Airbus aufgehen, bis Ende dieser Dekade einen flugfähigen Wingman-Demonstrator zu entwickeln, könnte dieser dann womöglich für die elektronischen Kampf als sogenannter Escort Jammer befähigt werden.

Rheinmetall als neuer Player

Eine neue Situation am deutschen Markt für Militärflugzeuge ist eingetreten, nachdem bekannt wurde, dass der Rheinmetall-Konzern in großem Stil als Flugzeugzulieferer auftritt und Rumpfmittelteile für den US-Kampfjet F-35 im nordrhein-westfälischen Weeze produzieren wird. Während es zunächst danach aussah, dass Premium Aerotec, eine Geschäftssparte von Airbus, den Auftrag für den Rumpfkomponenten erhalten würde, sicherte sich dann doch am Ende Rheinmetall zur Überraschung vieler Beobachter den Auftrag.

Für die Rolle der Nuklearen Teilhabe sollen der Luftwaffe in Zukunft 35 F-35A von Lockheed Martin in der modernsten Version Block 4 zur Verfügung stehen. (Bild: LMCO)

Eine Teil-Produktion der für die Luftwaffe vorgesehenen insgesamt 35 F-35 und die damit verbundene Wertschöpfung auf deutschem Boden dürfte die Wettbewerbsposition des US-Herstellerkonzerns Lockheed Martin verbessern, wenn es darum geht, weitere Muster dieses Kampfflugzeugs an die Luftwaffe zu verkaufen. Denn als Option für den Ersatz der Tornado-Jagdbomber gilt in Konkurrenz zum Eurofighter weiterhin die F-35, deren Jahresproduktion gerade von Lockheed Martin aufgrund der starken Nachfrage hochgefahren wird. Die Arbeiten in dem neuen Werk laufen offenbar nach Plan. Abzuwarten bleibt, ob sich Rheinmetall in Zukunft auf die Rolle als Zulieferer beschränken wird.

Schwache Nachfrage nach A400M

Auch wenn kürzlich der erste Transportflieger des Typs A400M den finalen Anstrich für den Exportkunden Kasachstan erhalten hat, bleibt die Nachfrage nach dem Flugzeugmuster verhalten.

Die beiden Airbus-Partnernationen Frankreich und Spanien haben sogar vor einiger Zeit angedeutet, einen Teil der eigenen Bestellungen für das Flugzeug stornieren zu wollen. Passiert ist bislang scheinbar nichts; das könnte auch mit den dann anstehenden Pönalen zusammenhängen.

A400M in der Lackierung der kasachischen Luftwaffe. (Bild: Airbus)

Vor diesem Hintergrund halten es Insider für möglich, dass es ohne weitere Orders bereits in wenigen Jahren zum Ende der Produktion kommen könnte, was insbesondere Spanien treffen würde, wo die Endmontage stattfindet.

Hubschrauber-Sparte mit neuen Aufträgen

Deutlich besser läuft es dagegen für Airbus-Helicopters und seinen deutschen Standort in Donauwörth. So haben das Bundeswehr-Beschaffungsamt BAAINBw und Airbus Helicopters Deutschland bereits im Dezember einen Vertrag über die Herstellung und Lieferung von bis zu 82 leichten Kampfhubschraubern (LKH) des Typs H145M geschlossen. Dabei handelt es sich laut Airbus um 62 Festbestellungen und 20 Optionen und damit um den größten Auftrag, der jemals für die H145M erteilt worden sei. Der Vertrag umfasst dem Hersteller zufolge zudem sieben Jahre Support- und Serviceleistungen. Wie es in der Presse heißt, soll das Beschaffungsvolumen bei 2,7 Milliarden Euro liegen. Die Finanzierung erfolgt vorrangig aus dem Sondervermögen.

Auch bei der Ausschreibung für neue Hubschrauber der Bundespolizei, hier geht es um 38 Festbestellungen und sechs Optionen, dürfte Airbus kurz vor einem Vertragsschluss stehen. Denn gut informierten Kreisen zufolge hat Sikorsky final kein Angebot für die Ausschreibung abgegeben, bei dem der Konzern mit seiner S-92 bis zuletzt im Wettbewerb war. Damit befindet sich nur noch Airbus Helicopters mit dem H225 Super Puma im Rennen. Airbus Helicopters wollte sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht dazu äußern. Insider erwarten jedoch in Kürze eine Entscheidung.

Da der Helikopter auf eine französische Entwicklung zurückgeht, dürfte der Großteil der Wertschöpfung in Frankreich erfolgen. Airbus sei heute ein integriertes Unternehmen und immer mehr Programme würden in beiden Ländern durchgeführt, teilte das Unternehmen dazu mit. Jeder Auftrag für Airbus Helicopters sichere daher Arbeitsplätze in Deutschland und in Frankreich.

Auf Nachfrage teilte ein Sprecher zum Thema Bundespolizei lediglich mit, dass der Hauptgrund, warum der H225 Super Puma nach Einschätzung des Unternehmens die beste Wahl für die Bundespolizei wäre, nicht die Schaffung von Arbeitsplätzen sei, sondern das gute Preis-Leistungsverhältnis und der etablierte Fußabdruck dieses Hubschraubers bei der Bundespolizei, der eine reibungslose Indienststellung ermögliche.

Aufgrund der Erfahrungen von COVID 19 investiere das Unternehmen in seine MRO-Kapazitäten (MRO: Maintenance, Repair and Overhaul) in Kassel, um die Ressourcen und die Infrastruktur für die Betreuung der gesamten Flotte der Bundespolizei in Deutschland zu haben. Damit werde die Verfügbarkeit der Flotte auch in Krisenzeiten sichergestellt, die Umweltbelastung durch Fährflüge zum MRO-Standort reduziert und der Standort sei rund um die Uhr verfügbar.

Das Unternehmen weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das französische Innenministerium kürzlich 42 H145 bestellt hat, die in Deutschland gefertigt werden.

Nach Angaben von Airbus Helicopters wurden die 18 von der Bundeswehr bestellten Hubschrauber vom Typ NH90 Sea Lion bereits ausgeliefert und befinden sich im Einsatz. Im August werden sie den Angaben zufolge die SAR-Missionen der Deutschen Marine komplett übernehmen. Bereits heute sei der Sea Lion „sehr erfolgreich“ im maritimen SAR-Einsatz. Der Sea Tiger werde derzeit getestet. Die Auslieferung der 31 Maschinen beginne im kommenden Jahr.

Nach Angaben des Bundeswehr-Beschaffungsamtes BAAINBw von 2023 soll noch in diesem Jahr die Auslieferung der ersten H145M LKH sowie die Ausbildung des Personals beginnen und Ende 2028 abgeschlossen sein. Der LKH werde an den Standorten des Internationalen Hubschrauberausbildungszentrum in Bückeburg, den Heeresstandorten Niederstetten, Fritzlar und Faßberg sowie bei den Spezialkräften auf dem Luftwaffen-Standort Laupheim eingesetzt.

Mit dem Zulauf sogenannter Leichter Kampfhubschrauber des Typs H145M D3 – von denen fünf Systeme an die Spezialkräfte der Luftwaffe gehen werden – wird sich die Fähigkeit der taktischen Feuerunterstützung von Spezialkräftemissionen deutlich verbessern. (Bild: Airbus Helicopters / Cara Irina Wagner)

Der Standort Donauwörth ist mit den derzeit abzuarbeitenden zivilen und militärischen Bestellungen sehr gut ausgelastet, wie der Sprecher mitteilte. Mit Fremdfirmen, Bundeswehr-Angehörigen und Dienstleistern seien in Donauwörth rund 7.000 Personen beschäftigt und man suche aktiv nach Mitarbeitern.

Airbus Helicopters ist auch Partner von Boeing im „Team Chinook“, aber derzeit noch nicht aktiv eingebunden, da der Vertrag zwischen der U.S. Army und Boeing nicht endverhandelt ist. Erst wenn Boeing beauftragt sei, komme Airbus ins Spiel, so das Unternehmen.

Der europäische Hubschrauberkonzern stehe bereit, um am Standort Holzdorf als industrieller Partner der Luftwaffe gemeinsam mit Boeing die vor Ort geforderte Wartung und Instandsetzung am Luftfahrzeug für die CH-47F-Flotte umzusetzen. Dies gelte sowohl für die Einführungs- als auch für die Folgephase. 

Arbeit an Zukunftsthemen

Um die nächste Generation von taktischen Drehflüglern vorzubereiten, hat die NATO das NGRC-Programm (Next Generation Rotorcraft Capability) ins Leben gerufen. Bei den ersten NGRC-Studien war Airbus nach eigenen Angaben in verschiedene Gespräche eingebunden. Nachdem die Studien für NGRC für die Industrie geöffnet wurden, habe das Unternehmen ein Angebot für die Arbeit an einigen Konzeptstudien abgegeben. 

Gleichzeitig hat die EU im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds das Projekt ENGRT (European Next Generation Rotorcraft Technologies) gestartet. Airbus habe zusammen mit Leonardo die Leitung des Projekts übernommen. Ziel sei es, eine europäische Lösung für die nächste Generation von militärischen Drehflüglern zu entwickeln. Sie könnte die Grundlage für eine europäische Lösung für NGRC sein.

Über diese beiden Initiativen hinaus arbeitet Airbus auch an Schlüsseltechnologien und Know-how, die für die nächste Generation militärischer Hubschrauber eingesetzt werden könnten. Bei den Programmen H160M und Tiger Mk III gehe es um fortschrittliche Avionik und Missionssystemen. VSR700 ebne den Weg für eine Ausweitung der unbemannten Einsätze und der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Im Hochgeschwindigkeitsbereich werde der Racer Airbus die Möglichkeit geben, die Vorteile der hybriden Konfiguration mit Hubschrauber- und Starrflügler-Elementen zu demonstrieren und Kenntnisse über Hochgeschwindigkeitsoperationen zu gewinnen.

Entwicklung bei Drohnen

Bei der Einführung von großen Drohnen – etwa der Kategorie Medium Altitude Long Endurance (MALE) – und deren Bewaffnung ist Deutschland gegenüber anderen Nationen ins Hintertreffen geraten. Bislang gibt es keinen inländischen Hersteller für diesen Typ von Luftfahrzeugen. Für die Einsätze wie in Afghanistan oder in Mali hatte die Bundeswehr beim israelischen Hersteller IAI Drohnen des Typs Heron geleast.

Die Luftwaffe hat am 15. Mai 2024 mit dem Testflugbetrieb der Heron TP im nicht gesperrten Luftraum in Deutschland begonnen. (Bild: Bundeswehr / Cora Mohrdieck)

Aufgrund der Beendigung der deutschen Auslandspräsenz in diesen Ländern und der Fokussierung auf Bündnis- und Landesverteidigung liegt ein Einsatz der Drohnen im deutschen, bzw. im NATO-Luftraum nahe. So hat die Luftwaffe am 15. Mai den ersten offiziellen Testflug mit einer German Heron TP vom Stützpunkt Jagel in Schleswig-Holstein absolviert.  Wie Generalleutnant Günter Katz, der Kommandierende General des Luftwaffentruppenkommandos, während seiner Ansprache nach dem Erstflug sagte, will die Luftwaffe in Zukunft sechs MALE-Drohnen des Typs German Heron TP von Jagel aus betreiben. Es handele sich um das erste unbemannte Luftfahrzeug, das mit einer deutschen, uneingeschränkten Verkehrszulassung mit weltweiter Gültigkeit betrieben werde, betonte der General. Es könne in allen kontrollierten zivilen und militärischen Lufträumen fliegen. Katz bezeichnete dies als „Quantensprung“ in Europa.

Die technisch-logistische Versorgung stellt die Firma Airbus DS Airborne Solutions GmbH (ADAS) sicher. Die Drohnen sollen in Zukunft auch bewaffnet werden, das Training dafür könnte womöglich im kommenden Jahr beginnen.

Die Maschine gilt auch als Brückenlösung bis zur Einführung der Eurodrohne. Bei diesem europäischen Gemeinschaftsprojekt zwischen den Partnerländern Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien ist die deutsche Industrie- sowie Amtsseite im Lead. Airbus positioniert den unbemannten Flieger stark als Flugzeug zur Seefernaufklärung, auch in Kombination mit bemannten Flugzeugen.

Erst kürzlich hat das Eurodrohnen-Programm das sogenannte Preliminary Design Review (PDR) erfolgreich absolviert. Unter der Leitung von Airbus als Hauptauftragnehmer wurde dieser Projekt-Meilenstein zusammen mit der europäischen Rüstungsagentur OCCAR abgeschlossen. Den Angaben von Airbus zufolge tritt das Eurodrohnen-Programm nun in die nächste Phase ein, um das Critical Design Review (CDR) zu erreichen, das den letzten Schritt und den Abschluss des Architektur- und Systementwurfs darstellt. Bislang verfügt Japan über einen Beoachter-Status bei der Eurodrohne. Der asiatische Inselstaat hat offenbar Interesse, das unbemannte Flugzeug im Rahmen von Seefernaufklärung und U-Boot-Jagd einzusetzen. Dem Vernehmen nach soll es noch weitere internationale Interessenten geben.

Nach Angaben von Airbus wurde die Eurodrohne als erstes MALE RPAS von Anfang an konsequent für die Integration in den zivilen Luftraum und größtmögliche Effizienz konzipiert, beispielsweise durch die Nutzung direkter Flugrouten ohne vorausgeplante Notlandeplätze, was Zeit, Treibstoff und CO2-Emissionen spare. (Bild: Airbus)

Gerade im Bereich der maritimen Nutzung von Drohnen hat Airbus/IAI mit General Atomics – Aeronautical Industries (GA-ASI) einen starken Wettbewerber. Die Deutsche Marine plant im laufenden Jahr über mehrere Monate eine Drohne des Typs MQ-9 Sea Guardian von GA-ASI mit dem Seefernaufklärer P-8 Poseidon beim „Manned-unmanned“-Teaming zu testen. Im Anschluss wolle man auch der Heron TP eine Chance geben, sagte der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, Anfang des Jahres bei der Historisch-Taktischen Tagung der Marine.

Nach der Übernahme von RUAG-Geschäftsteilen verfügt GA-ASI mittlerweile auch über Fertigungskapazitäten für Flugzeuge in Deutschland. So plant das Unternehmen, die Produktion von Maschinen des Typs Do-228 aufzunehmen. Wie ein Sprecher auf Nachfrage sagte, hat sein Unternehmen bereits die ersten Hauptkomponenten für die Do-228 in Auftrag gegeben. Ende 2025 sollte die erste Maschine fertiggestellt sein. Angestrebt wird dem Sprecher zufolge eine Kleinserienproduktion. So nutze beispielsweise die italienische Armee die Maschine, ebenso wie Marinen in Asien. Für die Do-228 solle auch die Wartung und Systembetreuung in Deutschland erfolgen.

Die Fertigung des Schweren Transporthubschraubers CH-47 Chinook sowie der für die Marine bestimmten Seefernaufklärer P-8 Poseidon wird dagegen in den USA stattfinden. Während ihrer Einsatzzeit für die Bundeswehr sollen die beiden Flugzeugmuster jedoch für die MRO-Arbeiten in Deutschland verbleiben, wie ein Boeing-Sprecher sagte. Um dies zu gewährleisten, plane man eine Partnerschaft mit deutschen Branchenfirmen. Bei der P-8 seien dies vor allem Lufthansa Technik sowie die ESG.

Lars Hoffmann