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Drohnenabwehr für abgesessene Kräfte

Kristóf Nagy und Thomas Lauge Nielsen

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Der seit über zwei Jahren geführte Krieg in der Ukraine liefert weiterhin eine Fülle von Erkenntnissen über das moderne Gefecht hoher Intensität zwischen technologisch nahezu gleichwertigen Gegnern. Eines der Merkmale dieses Konflikts, wie es sich zuvor bereits im zweiten Bergkarabach-Krieg 2020 abgezeichnet hatte, ist der  allgegenwärtige Einsatz von Drohnen, auch unbemannte Luftfahrzeuge (UAS oder UAV) genannt, über das gesamte Spektrum des Gefechtes.

Von großen, hochfliegenden Drohnen mit hoher Reichweite, die für kontinuierliche Überwachung und Aufklärung eingesetzt werden, über Langstrecken-Einwegdrohnen, die strategische Ziele angreifen, bis hin zu kleinen „First-Person View“ (FPV)-Drohnen, die in vielen Fällen auf zivilen Renndrohnen-Komponenten basieren und der Infanterie ein Wirkmittel mit verhältnismäßig hoher Reichweite und Wirkung bieten.

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Der Einsatz von UAS für strategische und taktische Missionen ist nicht neu. Fotoaufklärungsdrohnen kamen bereits während des Kalten Krieges zum Einsatz, und der globale Krieg gegen den Terror war vom umfangreichen Einsatz von UAV unterschiedlichster Kategorien gekennzeichnet, die zuweilen von einem anderen Kontinent aus gesteuert wurden. Neu ist in der Ukraine, dass der Einsatz von Drohnen nicht mehr auf die strategische oder übergeordnete taktische Ebene beschränkt ist. Vielmehr können sie von Infanterietrupps oder sogar einzelnen Soldaten eingesetzt werden. Dies, kombiniert mit der Portabilität, Benutzerfreundlichkeit, niedrigen Kosten und leichten Austauschbarkeit dieser Drohnen, hat sie allgegenwärtig gemacht und zu einer ständigen Bedrohung auf dem Schlachtfeld werden lassen. UAS können nicht nur zur Zielerkennung und Korrektur von verschiedensten Waffensystemen der Artillerie eingesetzt werden, sondern wurden auch angepasst, um kleine Sprengladungen wie Handgranaten oder Mörsergranaten abzuwerfen, und für Präzisionsangriffe verwendet.

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Für den militärhistorisch versierten Bobachter ist es keine Überraschung, dass diese Entwicklung wiederum zu einem Interesse an und zur schnellen Entwicklung von Drohnenabwehrmaßnahmen in verschiedenen Formen geführt hat. Das Auftauchen der ersten Panzer im Ersten Weltkrieg führte umgehend zu Bemühungen, die Infanterie mit organischen Panzerabwehrwaffen auszustatten, damit sie sich gegen diese neue Bedrohung verteidigen konnte, ohne auf die Verfügbarkeit von Artillerie oder größeren Panzerabwehrkanonen angewiesen zu sein. Ähnlich hat das Auftreten großer Mengen kleiner, billiger und leicht zu bedienender Drohnen auf dem modernen Gefechtsfeld zu einem Wettlauf um die Entwicklung von Drohnenabwehrwaffen und -Maßnahmen für die abgesessene Infanterie geführt.

Ein spezifisches Ergebnis dieser Entwicklung ist eine kürzlich durchgeführte Informationsabfrage (RFI) des U.S. Marine Corps (USMC) bei Unternehmen für ein abgesessenes Abwehrsystem gegen Kleinstdrohnen (CsUAS). Zweck dieses RFI ist es, die Fähigkeit eines jeden Marines zu entwickeln, sich gegen Bedrohungen durch Drohnen der NATO-Klassifizierung 1 und 2 zu verteidigen. Zum Vergleich: Drohnen der Klasse 1 sind für die unterste taktische Ebene gedacht, wiegen insgesamt weniger als 150 kg und haben einen Telemetriereichweite von weniger als 50 km. Drohnen der Gruppe 2 sind größere taktische UAS, wiegen weniger als 600 kg und haben einen Telemetriereichweite von weniger als 200 km. Das RFI spezifiziert weiter, dass die abgesessene CsUAS-Lösung benutzerfreundlich, leicht erlernbar, gewichtsarm und so weit wie möglich mit den derzeit im Marine Corps organisch vorhandenen Systemen kompatibel sein muss.

Im folgenden Artikel werfen wir einen Blick auf einige der derzeit verfügbaren Technologien, die die oben genannten Anforderungen des USMC oder ähnliche Anforderungen anderer Streitkräfte weltweit erfüllen könnten.

Einige dieser Technologien sind sogenannte „Soft-Kill“-Systeme, im wesentlichen Störsender, die elektronische Emissionen nutzen, um die Steuerung und/oder Kommunikationssysteme der Drohnen zu täuschen oder zu stören. Andere sind „Hard-Kill“-Systeme, die eine Vielzahl von Effekten nutzen, von Raketen über Gewehre bis hin zu „Netzwerfern“, um feindliche Drohnen zu deaktivieren oder zu zerstören.

Wie die Drohnen selbst, sind viele dieser Gegenmaßnahmen nicht neu. Flugabwehrraketen- und Waffensysteme gibt es seit Jahrzehnten, und nur geringfügige, wenn überhaupt notwendige Modifikationen sind erforderlich, um sie zu hochwirksamen Waffen gegen Drohnen zu machen. Das Problem bei diesen Systemen ist jedoch, dass sie sehr groß und sehr teuer sind und oft für andere Aufgaben als die Drohnenabwehr benötigt werden. Wie in dem oben genannten USMC-RFI anerkannt wird, bedeutet dies, dass diese größeren Systeme für eine Infanterieeinheit auf dem Gefechtsfeld wahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen werden, was wiederum bedeutet, dass andere Mittel erforderlich sind.

Diese Mittel weisen weitgehend Parameter auf  wie oben beschrieben. Einige sind kleine, leichte Störsender, die von einzelnen Soldaten verwendet werden können, und andere sind neue Hard-Kill-Drohnenabwehrwaffen oder Anpassungen bestehender Infanteriewaffen, um sie für die Drohnenabwehr effektiv zu machen. Letzteres ist vermutlich das, was das USMC mit der Anforderung ausdrückt, „Systeme zu verwenden, die so weit wie möglich bereits im Marine Corps vorhanden sind“.

Es sprechen gute Gründe dafür, die letztere Option vorzuziehen. Auch wenn Anpassungen bestehender Infanteriewaffen mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger wirksam sind als speziell entwickelte Drohnenabwehrwaffen, bedeutet die Verwendung einer bestehenden Waffe zur Verteidigung gegen Drohnen, dass der bereits überlastete Soldat keine zusätzliche Ausrüstung tragen muss und der Schulungsaufwand minimiert wird, da der Soldat bereits mit der grundlegenden Bedienung der Waffe vertraut ist. Obwohl alle oben genannten Maßnahmen ihren Platz in einer integrierten Drohnenabwehr auf dem Gefechtsfeld haben, wird sich dieser Beitrag auf diese letztere Option konzentrieren.

Infanterie-Drohnenabwehrwaffen – Altbewährtes, Neues, Adaptiertes…

Infanteriewaffen sind an sich nicht besonders wirksam als Drohnenabwehrwaffen. Ist doch das Ziel klein, schnell, wendig und selbst auf kurze Distanz unter Gefechtsbedingungen äußerst schwierig, mit einem Sturm- oder Maschinengewehr zu treffen. Es gibt jedoch bestimmte Technologien und Anpassungen, die diese Aufgabe erleichtern, indem sie die Trefferwahrscheinlichkeit erhöhen. Diese Anpassungen nehmen zwei grundlegende Formen an: Angepasste Visierausrüstung und Munition.

Optronik

Seit dem Aufkommen von Visierungen besteht der Zweck darin, das Ziel wiederholungsgenau zu treffen. Angepasste Visiere für die Drohnenabwehr sind nicht anders. Ein Produkt aus dieser Kategorie, das speziell für die Drohnenabwehr entwickelt wurde und unter anderem von den britischen, deutschen und den US-Streitkräften zu diesem Zweck gekauft wurde, ist das SMASH-Visier des israelischen Herstellers Smartshooter, insbesondere die Version SMASH 3000. Das SMASH-Visier wird herstellerseitig als automatisches Ziel- und Feuersystem für Handfeuerwaffen beschrieben. Es kann auf einer Standard-MIL-STD-1913-„Picatinny“-Schiene montiert werden und kombiniert ein durchgehendes optisches Visier mit Zielverfolgungs- und Feuerleitrechner-Software sowie Tag- und Nacht-Zielerfassungsfähigkeiten. Das Visier kann als gewöhnliches Leuchtpunkt-Visier verwendet werden. Es ermöglicht dem Benutzer jedoch auch, ein Ziel auszuwählen und zu markieren. Anschließend verfolgt das Visier das Ziel, führt die erforderlichen ballistischen Berechnungen durch, einschließlich der Vorhersage der Bewegung des Ziels, und liefert Richthilfen im Visier. Das Visier ist zudem elektronisch mit dem Abzug verbunden. Wenn das Ziel erfasst ist und der Benutzer den Abzug betätigt, blockiert die Elektronik den Abzug und verhindert, dass ein Schuss abgegeben wird, bis das Feuerleitsystem im Visier berechnet, dass die Waffe auf eine ausreichend hohe Trefferwahrscheinlichkeit ausgerichtet ist.

Britische Fallschirmjäger haben Anfang März 2024 als erste die Drohnenabwehrausbildung mit den kürzlich beschafften SMASH-Feuerleitvisieren begonnen. (Bild: MoD UK / Crown Copyright 2024)

Den auf der Website von Smartshooter angegebenen Informationen zum SMASH 3000 zufolge wird eine 80-prozentige Trefferwahrscheinlichkeit beim ersten Schuss auf ein sich bewegendes Ziel in 100 m Entfernung, unabhängig vom Trainingsstand des Benutzers, erreicht. Bedeutend in diesem Zusammenhang ist, dass das SMASH 3000 mit zusätzlicher Programmierung ausgestattet ist, die es laut Hersteller ermöglicht, kleine Drohnen bis zu einer Reichweite von 200 m bei Tageslicht (die effektive Reichweite bei Nacht ist vermutlich kürzer) abzuschießen. Das SMASH-Visier ist konzeptionell ähnlich wie das frühere TrackingPoint-System aus den USA, das heute von Talon Precision Optics vermarktet wird. Soweit den Autoren bekannt, wurde das TrackingPoint-System bisher nicht als Drohnenabwehrsystem beworben, aber es wäre vermutlich möglich, bestehende Visiere durch eine Softwareanpassung um diese Fähigkeit zu erweitern.

Ebenso liegen keine Daten über eine mögliche Drohnenabwehrfähigkeit des neuen XM157-Feuerleitsystems vor, das von Vortex Optics in den USA für die Next Generation Squad Weapon der U.S. Army entwickelt und hergestellt wurde. Die Situation für das XM157 dürfte jedoch ähnlich wie beim oben erwähnten TrackingPoint-System sein, da auch hier eine Drohnenabwehrfunktion relativ leicht als Software- oder Firmware-Update implementiert werden könnte. Damit die Systeme eine ähnliche Effektivität wie die SMASH-Feuerleitvisieren erreichen, müsste vermutlich auch eine Kopplung zum Abzugsmechanismus erfolgen, was auch einen hardwareseitigen Eingriff bedeuten würde.

Der Vorteil einer Technologie, wie sie beim SMASH 3000 im Infanterieeinsatz gegen Drohnen zum Einsatz kommt, besteht darin, dass sie nicht nur einzelnen Soldaten ein Werkzeug bietet, um kleine Drohnen effektiv zu bekämpfen (oder zumindest effektiver als auf andere Weise), sondern auch erhebliche Vorteile bei der Bekämpfung anderer typischer Infanterieziele auf dem Gefechtsfeld bietet. Die Nachteile sind die höheren Kosten des Visiers, der Energiebedarf, das zusätzliche Gewicht und Volumen, sowie der Trainingsaufwand, um den Nutzer in die Lage zu versetzen, das Visier effektiv einzusetzen.

Kinetische Wirkmittel

Manchmal sind die altenhergebrachte Wirkmittel die besten. Dies gilt auch für Drohnenabwehrmunition und es ist zahlreichen Nutzern, Unternehmen und Organisationen aufgefallen, dass bereits ein Infanteriewaffensystem existiert, das ursprünglich dazu entwickelt wurde, kleine, schnelle Luftziele abzuschießen: die Schrotflinte.

Der erste Kampfeinsatz von Waffen, die wir heute als Schrotflinte bezeichnen würden, ist wahrscheinlich die Nutzung von Vorderlader-Donnerbüchsen, die auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Schrotflinten wurden auch im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und bei General Pershings Verfolgung von Pancho Villa eingesetzt. Der „offizielle“ Einsatz moderner militärischer Schrotflinten durch die Infanterie, bei denen die Waffe ausgegeben wurde und nicht privat erworben werden musste, geht jedoch auf den Ersten Weltkrieg zurück, als US-Truppen Pump-Action-Schrotflinten Model 1897 von Winchester mit in die Schützengräben Belgiens und Frankreichs brachten. Dies verursachte beträchtlichen Aufruhr bis zu dem Punkt, dass Deutschland drohte, jeden Soldaten, der mit einer solchen „unmenschlichen“ Waffe erwischt wurde, ohne Weiteres zu exekutieren.

Im Allgemeinen liegen die Nachteile der Schrotflinte als Infanteriewaffe in der begrenzten Magazinkapazität und der kurzen effektiven Reichweite im Vergleich zu Gewehren und Maschinengewehren. Die meisten militärischen Schrotflinten haben Magazinkapazitäten von fünf bis acht Patronen, verglichen mit 20 bis 30 Patronen bei einem typischen Sturmgewehr. Mit Flintenlaufgeschossen beträgt die maximale effektive Reichweite einer Schrotflinte in der Regel etwa 100 Meter, mit Schrot etwa ein Drittel davon, verglichen mit 300 bis 500 Metern für das klassische Gewehr. Der Vorteil der Schrotflinte ist ihre vielseitige Einsetzbarkeit. Sie ist nicht nur eine leistungsfähige Nahkampfwaffe gegen Personenziele, sondern kann auch zum Öffnen von Türen, zur Aufstandsbekämpfung (mit nicht-tödlicher Munition) und, wie im vorliegenden Artikel thematisiert, zur Drohnenabwehr eingesetzt werden.

Die übliche Kampfladung für eine Schrotflinte besteht entweder aus Flintenlaufgeschossen oder Schrot. Diese sind theoretisch relativ ineffektiv gegen Drohnen, da die Trefferwahrscheinlichkeit immer noch gering wäre. Allerdings haben normale Vogelpostenpatronen, die eine große Anzahl kleinerer Pellets enthalten, deutlich mehr Potenzial und wurden beispielsweise in der Ukraine gegen Drohnen eingesetzt. Die Vorteile von Vogelposten gegen Drohnen liegen darin, dass es relativ kostengünstig und weit verbreitet ist und buchstäblich dafür entwickelt wurde, kleine, schnell fliegende Ziele zu treffen. Ein weiterer Vorteil ist die begrenzte Gefahrenzone aufgrund der geringen Masse der einzelnen Pellets, was das Risiko von Kollateralschäden verringert.

Beispielhaft für die leichte Adaptierung verfügbarer Flinten für die Drohnenabwehr sind die von der US-Marineinfanterie auf der Marine Air Station Cherry Point im US-Bundesstaat North Carolina durchgeführten Kurse. Im Rahmen der Ausbildung, welche größtenteils auf dem sportlichen Flintenschießen beruht, wird den Marines mit der eingeführten M1014-Schrotflinte das Bekämpfen von kleinen und agilen Flugzielen in Form von Wurfscheiben beigebracht. Vergleichbare Kurse sind spätestens seit der zweiten Jahreshälfte 2023 auch in der Ukraine und Russland nachgewiesen worden.

In letzter Zeit wird von unterschiedlichen Stellen und auch der Industrie die Nutzung von Postenschrot, insbesondere mit der Postengröße 6,1 mm (#4 Buckshot) als idealer Kompromiss zwischen Reichweite, Trefferwahrscheinlichkeit und Leistung im Ziel angeführt. Hierzu hat unlängst der Flintenspezialist Benelli den als M4 Advanced Impact (A.I.) Drone Guardian bezeichneten Entwurf präsentiert. Bei der Nutzung einer Postengröße von 6,1 mm sieht Benelli die effektive Kampfentfernung gegen Drohnen bei 50 m. Einen ähnlichen Weg geht auch Kalaschnikow mit der ursprünglich auf einer zivilen Jagdflinte basierenden MP-155. Die russischen Ingenieure setzen einer Unternehmensmeldung zur Vorstellung der MP-155-Flinte vom August 2024 zufolge auf die 12/89 Patrone, um mehr Reichweite zu erreichen, lassen jedoch die Wahl der Postengröße offen.

Russische Drohnenabwehrpatrone Perechwat von Techkrim-Fabrik. (Bild: Techkrim-Fabrik)

Eine weitere Option ist die Verwendung spezieller Drohnenabwehrmunition, wie der 12-Gauge-„Skynet“-Patrone, die von Pacem Defence in den USA angeboten wird. Anstelle von Schrotkugeln verschießt diese Patrone ein mit Gewichten versehenes Netz, das sich nach dem Abfeuern ausbreitet und die Propeller und Rotoren der Drohne verfangen soll. Ähnliche Drohnenabwehrpatronen sind von Primetake in Großbritannien und der Techkrim-Fabrik in Russland erhältlich. Als Material für die Netze kommt zumeist Aramid zum Einsatz. Diese hochfeste Faser ist überaus schnitthemmend und kann somit zuverlässig die Rotorblätter stoppen.

Anstelle von Schrotkugeln verschießt die Skynet-Patrone ein mit Gewichten versehenes Netz, das sich nach dem Abfeuern ausbreitet und die Propeller und Rotoren der Drohne verfangen soll. (Bild: Pacem Defense)

Obwohl diese Drohnenabwehrpatronen hauptsächlich für den Einsatz in Friedenszeiten und bei Sicherheitsbehörden vorgesehen sind, könnten sie auch auf dem Gefechtsfeld Anwendung finden. Ihre Erprobung ist bereits vor dem Ukrainekrieg z.B. durch die italienischen Streitkräfte auch im militärischen Kontext erfolgt. Der Vorteil dieser Art von Munition besteht darin, dass sie den Schaden an der Drohne minimiert, was aus nachrichtendienstlicher Sicht wichtig sein könnte. Zudem ist wie bei dem oben erwähnten Vogelschrot auch hier die Gefahrenzone begrenzt.

„Rosyanka“ GP-25 Kaliber 12 Adapter von Ingra. (Bild: Ingra)

Um die Anzahl der Waffen an der Front, welche Schrotpatronen verschießen können, schnell zu erhöhen, entstanden insbesondere in Russland jüngst mehrere Adapterlösungen. Im April 2024 stellte das Unternehmen Ingra ihren „Rosyanka“-Adapter vor, der einen standardmäßigen russischen 40-mm-GP-25-Granatwerfer in eine einschüssige Kaliber-12-Schrotflinte verwandelt. Dieses Produkt wurde speziell entwickelt, um der Infanterie etwas zu bieten, das gegen kleine Drohnen wirkungsvoller ist als die übliche Gewehrmunition. Ingra empfiehlt die Verwendung von 32g 4er Posten (3,3 mm Pellets), aber die Autoren sehen keinen Grund, warum auch keine andere, oder speziell für Drohnen entwickelte Schrotpatrone verwendet werden könnte. Zum Zeitpunkt des Schreibens ist nicht bekannt, ob das Ingra-System für den Dienst übernommen wurde.

Eine weitere russische Option, die allerdings auf den Einsatz eines Granatwerfers verzichtet, ist der „Dronoboy“ (Drohnenbrecher) der Firma BRT, einem der führenden russischen Hersteller von Schalldämpfern für Handfeuerwaffen. Der Dronoboy ist ein Mündungsaufsatz, bestehend aus einem Abschussbecher für Standard-Sturmgewehre vom Typ AK-47 oder AK-74. Der wiederverwendbare Aufsatz sieht einem Schalldämpfer ähnlich und kann mit einem Plastikbehälter geladen werden, der Schrotkugeln mit der Postengröße 3 enthält. Wenn das Gewehr abgefeuert wird, was sowohl mit einer Manöver- als auch einer scharfen Patrone erfolgen kann, drückt der Gasdruck die Schrotkugeln aus dem Aufsatz. BRT bietet zwei Versionen des Dronoboy an: Eine Version enthält nur die Schrotladung, die andere hat eine zusätzliche Treibladung, die vermutlich die Geschwindigkeit und damit die Reichweite erhöhen soll. Interessanterweise ist der Aufsatz auch so dimensioniert, dass er das Projektil der russischen Kanonenmunition im Kaliber 23 x 152 mm aufnehmen kann, die im ZU-23-2 Flugabwehrgeschütz verwendet wird. BRT schlägt vor, dass hochexplosive Projektile von diesem Aufsatz abgefeuert werden könnten, als Ersatz für einen Granatwerfer, und dass das zeitgezündete OFZT-Hochexplosivgeschoss eine Anti-Drohnen-Anwendung haben könnte. Die Autoren stellen jedoch die Frage, ob der Dronoboy die notwendige Beschleunigung und Drall liefern kann, um den (nicht modifizierten) Zünder eines 23-mm-Hochexplosivgeschosses zu aktivieren, aber die Idee ist interessant.

Der Dronoboy ist ein Mündungsaufsatz, bestehend aus einem Abschussbecher für Standard-Sturmgewehre vom Typ AK-47 oder AK-74. (Bild: BRT)

Der primäre Nachteil aller oben genannten Technologien ist die begrenzte effektive Reichweite, die je nach Munitionstyp und Fähigkeiten des Benutzers allgemein auf 30 bis 50 Meter geschätzt wird. Für den Einsatz durch Infanteristen, die mit einer überraschend auftauchenden Drohne konfrontiert sind, könnte dies jedoch ausreichen. Das Konzept, Netze oder Drähte abzufeuern, um die Propeller und Rotoren kleiner Drohnen zu blockieren oder zu zerstören, wurde auch von ST Engineering in Singapur für die 40x46mm-Niederdruckgranate umgesetzt, die typischerweise von Unterschaft- oder Stand-alone-Granatwerfern abgefeuert wird. Das 40mm Counter-Unmanned Aerial System von ST Engineering besteht aus der Granate selbst und einer an eine Smartwatch erinnernde tragbaren Programmiereinheit (WPU). Die Granate hat einen Verzögerungszünder und wird über die WPU programmiert. Anstelle von konventionellen Sprengmitteln ist ein sich öffnendes Netz verladen, ähnlich wie die oben beschriebenen 12-Gauge-Anti-Drohnen-Schrotpatronen. Der Vorteil der 40mm-Granate gegenüber einer 12-Gauge-Schrotflinte liegt in einer größeren Nutzlast, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, die Drohne abzuschießen, und in einer längeren effektiven Reichweite, wobei ST Engineering eine maximale Reichweite von 300 Metern angibt. Die größere Reichweite wird teilweise durch den Zeitzünder ermöglicht, der die sich öffnenden Drähte erst freigibt, wenn die Granate in der Nähe des Ziels ist.

Der Nachteil besteht darin, dass der Soldat den 40x46mm-Granatwerfer und die WPU benötigt, um die Munition zu verwenden, was ebenfalls größer und schwerer ist als die oben genannten Lösungen und eine größere Last für den Soldaten darstellt. Auch ist die programmierbare Munition zwangsläufig teurer als Standardtypen. Schließlich hat die 40x46mm-Granate eine niedrige Mündungsgeschwindigkeit, die von ST Engineering mit 85 m/s angegeben wird, was eine lange Flugzeit zum Ziel bedeutet – etwa 3,5 Sekunden bis zur maximalen Reichweite von 300 Metern. Die Bewegung einer kleinen Drohne so genau vorherzusagen, wird mit Sicherheit eine Herausforderung darstellen. Größere 40x53mm-Granaten, die von automatischen Granatwerfern abgefeuert werden, wurden ebenfalls für den Einsatz gegen Drohnen angepasst, wobei typischerweise tempierbare Spreng-Splittergranaten verwendet werden. Da der automatische Granatwerfer jedoch in der Regel von einem Dreibein, einer Fahrzeughalterung oder einer Waffenstation abgefeuert wird, fällt dies außerhalb des Rahmens des vorliegenden Artikels.

Eine weitere, neuere Entwicklung, die ebenfalls noch in das betrachtete Lösungsspektrum fällt, ist die 14,5 x 114 mm „Warrior“-Anti-Drohnen-Patrone, die von BULARMAS Ltd. in Bulgarien entwickelt wurde. Die Munition ist für den Einsatz in schweren Maschinengewehren des Kalibers 14,5 x 114 mm wie dem KPV vorgesehen und im Wesentlichen eine Sprengpatrone mit Verzögerungszünder. Jedes Projektil enthält vorgeformte kugelförmige Subprojektile und eine kleine Sprengladung. Der Zünder für die Sprengladung ist so eingestellt, dass er entweder bei 1.200 m, 1.400 m, 1.600 m oder 1.800 m detoniert. Das Konzept basiert darauf, diese unterschiedlich verzögerten Projektile im gleichen Munitionsgurt zu mischen, um die Streuung der Fragmente und somit die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, das Ziel zu treffen. BULARMAS liefert keine Informationen über den verwendeten Zünder, aber angesichts der Platzbeschränkungen in einem 14,5 x 114 mm Projektil handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine pyrotechnische Verzögerung. Neben dem Einsatz gegen Drohnen wird die Munition als wirksam gegen Raketen und andere Luftziele angesehen. Eine größere Version wurde ebenfalls entwickelt, im Kaliber 23 x 152mm.

Eine weitere Munitionsentwicklung, die mehrere Jahrhunderte zurückreicht und möglicherweise Anwendungen gegen Drohnen hat, sind „Duplex“ oder „Triplex“-Patronen für Standardgewehrkaliber. Wie die Namen vermuten lassen, verwenden diese Patronen zwei (Duplex) oder drei (Triplex) Projektile, die hintereinander in eine einzelne Patronenhülse geladen sind, sodass zwei bzw. drei Projektile mit jedem Schuss abgefeuert werden. Ursprünglich entwickelt, um die Trefferwahrscheinlichkeit zu erhöhen, könnte diese Art von Munition, insbesondere in Kombination mit einem der oben erwähnten Feuerleitsysteme, eine verbesserte Anti-Drohnen-Fähigkeit bieten, ohne dass ein Kaliberwechsel oder eine zusätzliche Waffe nötig wird. Da bei jedem Schuss mehrere Projektile abgefeuert werden, ist jedes Projektil zwangsläufig leichter als üblich für das Kaliber, was zu einer geringeren Reichweite und Wirkung im Ziel führt. Für den Einsatz durch abgesessene Infanterie gegen Drohnen ist dies jedoch weniger problematisch, da, wie wir gesehen haben, die verfügbaren Optionen in dieser Hinsicht ohnehin begrenzt sind.

Schlussfolgerungen

Wie beschrieben, scheinen kleine FPV-Drohnen ein fester Bestandteil des Gefechtsfeldes von heute und auch in der Zukunft zu werden. Trotz der Stimmen, welche bereits durch sie das Ende der Infanterie oder gepanzerter Fahrzeuge prophezeit hatten, ist dies nicht eingetreten. Wie zu jeder anderen Zeit in der Geschichte, als neue Waffentechnologien aufkamen, werden Gegenmaßnahmen entwickelt und eingesetzt, und es wird wahrscheinlich ein neues „Mikro-Wettrüsten“ beginnen – in diesem Fall mit Verbesserungen der Drohnen in Bezug auf Geschwindigkeit, Manövrierfähigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Störungen, im Wettbewerb mit verbesserten Abwehrmaßnahmen. Als historische Analogie lässt sich mit Einschränkungen, die seit der Nutzung des Flugzeugs und des Panzers im Ersten Weltkrieg andauernde stetige Entwicklung von Aktion und Reaktion heranziehen.

Während es wichtig bleibt, dass die Infanterie über die notwendigen Mittel verfügt, um feindliche Drohnen wirksam zu bekämpfen, sollten die in diesem Artikel beschriebenen Technologien nicht isoliert betrachtet werden. So wie die Infanterie selbst nicht allein auf dem Gefechtsfeld agiert, so werden auch die Drohnenabwehr der Infanterie im Kontext der Maßnahmen auf Zug-, Kompanie-, Bataillons- und Regimentsebene agieren. Bei den beschriebenen Maßnahmen und Technologien ist es daher unmöglich, eine Wertung nach Effizienz abzugeben. Wie bei jedem anderen Waffensystem hängt dies von der Situation, dem Ausbildungsstand der Soldaten und der bereits verfügbaren Ausrüstung ab. Ungeachtet dessen scheint es jedoch, dass zahlreiche Streitkräfte bis heuet die Bedrohung durch FPV-Drohnen auf der untersten taktischen Ebene ignorieren – und das auf eigenes Risiko.

Kristóf Nagy und Thomas Lauge Nielsen