Die chinesische Volksmarine (im englischen Sprachgebrauch „People’s Liberation Army Navy“, oder PLAN) durchläuft derzeit ein umfassendes Modernisierungsprogramm ihrer Atom-U-Boot-Flotte. hartpunkt blickt auf Rahmenbedingungen und aktuellen Stand der Entwicklung. Dieser erste Teil konzentriert sich auf die Vorgeschichte und die drei Generationen von Jagd-U-Booten (SSN).
Das chinesische Entwicklungsprogramm für Atom-U-Boote hatte seine Geburtsstunde am 28. Juli 1958. An diesem Tag autorisierte die Zentrale Militärkommission, das wichtigste Gremium für Führung und Planung der chinesischen Volksarmee (PLA) „Projekt 09“ für die zweiteilige Entwicklung einer seegestützten nuklearen Zweitschlagfähigkeit.
Im ersten Abschnitt erfolge die Entwicklung des grundlegenden Bootsdesigns, mittels Anstrengungen für einen U-Boot-Reaktor und eines Jagd-U-Bootes, designiert Typ 09-I (alternativ 091, US-Bezeichnung des Office for Naval Intelligence „Han“). In einem zweiten Schritt entwickelte die Gruppe um Peng Shilu, dem „Vater chinesischer Atom-U-Boote und Reaktoren“, das strategische Atom-U-Boot des Typs 09-II (092, ONI „Xia“) für den Abschuss der JL-1 ( 巨浪, Ju Lang oder „riesige Welle“) nuklearen Mittelstreckenrakete mit Feststoffantrieb.

Aufgrund politischer und wirtschaftlicher Herausforderungen, erst durch das Chinesisch-sowjetische Zerwürfnis ab Ende der fünfziger Jahre, dann den „Großen Sprung nach vorn“ und schließlich die Kulturrevolution kombiniert mit der technologischen Rückständigkeit Chinas in dieser Zeit, kam Projekt 09 nur äußerst schleppend voran. Die Entwicklung von Typ 09-I, dem Angriffs-U-Boot, begann 1959. Der Konstruktionsbeginn des Typ-Bootes erfolgte auf der speziell für dieses Programm gegründeten U-Boot-Werft Bohai in Huludao 1968. Das erste Boot, mit der Hüllennummer 401, wurde am 26. Dezember 1970, noch ohne Reaktor, zu Wasser gelassen. Nach Endausrüstung erfolgten Seeerprobungen zwischen 1971 und 1974. Das zweite Boot, Hüllennummer 402, lief 1973 vom Stapel und wurde 1980 in Dienst gestellt. Drei weitere Boote mit Nummern 403 bis 405 folgten bis 1990.
Nachdem Deng Xiaoping 1978 die Führung der VR China übernahm, erlitt das Militär durch eine Neuorientierung auf die zivile Wirtschaft massive Einsparungen, die auch vor der U-Boot-Entwicklung nicht Halt machten. Dementsprechend wurde das geplante Folgeprogramm für neue Jagd-U-Boote des Nachfolger-Typs 09-III (093) zunächst nicht realisiert.

Die Revitalisierung dieser Bemühungen setzte erst in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre ein. Die politische Richtungsänderung Chinas nach dem Ende der Sowjetunion, der Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens und schließlich der dritten Taiwankrise 1995/96 beinhaltete auch eine Finanzierung von militärischen Entwicklungen für die Jagd-U-Boote des Typs 09-III und strategischer Boote des Typs 09-IV (094, ONI „Jin“). Aufgrund langjähriger Unterbrechungen und der Folgen für technologische und personelle Entwicklungen zog sich Entwicklung und Bau der sechs folgenden Boote des Typs 09-III erneut in die Länge. Die Konstruktion der ersten beiden Boote begann schätzungsweise 1998. Das erste Boot lief 2001 vom Stapel, begann 2003 mit Erprobungen und wurde 2006 in Dienst gestellt. Fünf weitere Boote folgten bis 2020, vier davon in einem erheblich veränderten Standard, genannt Typ 09-IIIA (093A). Die Bauwerft Bohai erfuhr in der Zwischenzeit eine umfassende Erweiterung und Modernisierung mit deutlich ausgeweiteten Fertigungskapazitäten, die sich seit 2021 darauf konzentrieren, eine weitere substanziell veränderte Variante, den Typ 09-IIIB (093B), zu bauen.
Typ 09-I (ONI „Han“)
Die erste Generation von chinesischen Jagd-U-Booten muss weitgehend als Entwicklungsprogramm betrachtet werden, das nie eine vollständige Einsatzreife erreicht hat. Die ersten beiden Boote, 401 und 402, waren effektiv Prototypen, die eine Reihe von technischen Schwierigkeiten durchliefen. Die Hauptbewaffnung, der Schwergewichtstorpedo Yu-3, war erst Ende der 1980er Jahre einsatzreif. Typ 09-I hat eine Länge von etwa 90 Metern für die ersten beiden Boote, und 98 Metern für Boot drei bis fünf. Die längeren Bootskörper sind mutmaßlich Konsequenz von Veränderungen, um die Mängel der ersten Einheiten zu beseitigen.
Der Entwurf ist ein Doppelhüllenboot mit Tiefenrudern am Turm und einem Druckwasserreaktor, der über eine Welle einen konventionellen Propeller antreibt. Die Verdrängung liegt bei etwa 5.000 Tonnen getaucht für die ersten beiden Boote und 5.500 Tonnen für die verbliebenen Einheiten. Alle Boote besitzen sechs Torpedorohre des Kalibers 533 mm für Torpedos des Typs Yu-3 und des neueren Modells Yu-6. Die drei letzten Boote sind wahrscheinlich auch zum Verschuss von Seezielflugkörpern des Typs YJ-82 in der Lage.

Die Boote 401 und 402 wurden Anfang der 2000er Jahre außer Dienst gestellt. Die übrigen drei Einheiten verbleiben scheinbar in Dienst, dienen aber mutmaßlich nur noch der Ausbildung und haben das Ende ihrer Lebenserwartung nahezu erreicht. Diese Boote werden in aktuellen Berichten des US-Verteidigungsministeriums zur chinesischen Volksarmee nicht erwähnt.
Typ 09-III (ONI „Shang-I”)
Die zweite Generation von Jagd-U-Booten zeichnet sich durch Kontinuität im Grundentwurf gegenüber ihrem Vorgänger aus. Ebenso wie Typ 09-I handelt es sich um ein Doppelhüllen-Boot mit Tiefenrudern am Turm, sechs Torpedorohren des Kalibers 533 mm, angetrieben von einem Druckwasserreaktor, der über eine Welle einen Sichelpropeller („skewback“)-Auslegung antreibt. Der Typ 09-III ist etwa 107 Meter lang, mit einer Verdrängung von geschätzt zwischen 6.500 und 8.000 Tonnen getaucht. Die Boote verwenden sowohl Schwergewichtstorpedos des moderneren Typs Yu-6 und Seezielraketen des Typs YJ-82, können aber möglicherweise auch die überschallschnelle YJ-12 verschießen.
Amerikanische Rüstungsberichte zur Ausstattung der PLAN sprechen von insgesamt sechs Booten der US-designierten Shang-I/Shang II-Klasse. Bildlich dokumentiert sind nur zwei Typ 09-III-Boote. Die verbliebenen vier Einheiten sind daher naheliegend der Untervariante Typ 09-IIIA zuzuordnen.

Typ 09-IIIA (ONI „Shang-II”)
Nach dem Bau der ersten beiden Boote des Typs 09-III erfolgten sichtbare Modifikationen auf den folgenden Einheiten, die daher generell als Untervariante gelten. Diese Veränderungen beinhalten ein Schleppsonar auf dem Seitenruder achtern, ein Flanken-Sonar in mehreren Segmenten beiderseits des Rumpfes und ein Turm, der an der Vorderkante hydrodynamisch optimiert ist.
Darüber hinaus weisen die vier Boote dieser Variante mehrere bemerkenswerte Eigenheiten in der Ausformung der Außenhülle achtern des Turms auf, die interne Unterschiede zwischen einzelnen Booten suggerieren. Der Grund für die unterschiedlich ausgeformten Wölbungen ist unbekannt, denkbar ist ein Bezug zum installierten Schleppsonar.
Die verschleppte Entwicklung des Typs 09-III und die Vielfalt an Untervarianten legen nahe, dass die Boote der „Shang-I/II“-Klassen effektiv den Übergang in geordnete, modernere Nachfolger ermöglichten, wie am Beispiel des Nachfolgers Typ 09-IIIB deutlich wird.

Typ 09-IIIB (ONI „Shang-III“)
Die bisher neueste Evolution chinesischer Angriffs-U-Boote ist der Typ 09-IIIB, von amerikanischen Offiziellen als „Shang-III“ benannt. Trotz der Bezeichnung kann der Entwurf als weitestgehende Neuentwicklung angesehen werden und stellt de facto die dritte Generation von chinesischen Atom-U-Booten dar. Dies erklärt sich durch die zahlreichen zu beobachtenden Veränderungen. Dazu gehören ein neuer Antrieb, scheinbar nach dem Wasserstrahl-Prinzip („pump jet“) sowie eine Senkrechtstartanlage (VLS) mit 18 bis 24 Schächten für Marsch- oder Seezielflugkörper achtern des Turms.
Aufgrund der Flugkörperbewaffnung wird der Typ von amerikanischen Quellen auch als SSGN – dabei steht das SS für U-Boot, das G für Lenkflugkörperbewaffnung und das N für den Atomantrieb – bezeichnet. Die Außenhülle erscheint höher und wie der Turm stromlinienförmiger als bei den Vorgängerbooten. Weitere technische Details bleiben bisher aufgrund der beschränkten Zahl an Bildern, einschließlich Satellitenbildern, unklar.

Trotz der umfangreichen Modifikationen weisen diese Boote eine fast identische Länge, zirka 110 Meter, im Vergleich zu den Vorgängern auf. Dies legt umfangreiche Veränderungen im Bootsinneren nahe, was nach Meinung dieses Autors auch eine stark modifizierte Antriebsanlage einschließlich Reaktors impliziert.
Bohai hat seit 2021 eine unbekannte Zahl von Booten dieses Typs gebaut. Satellitenbilder und die grundlegende Fertigungskapazität der Werft suggerieren zwischen vier und acht Booten mit Stand März 2025. Einzelne Boote sind seit mindestens 2024 in der Erprobung. Satellitenbilder und andere Informationen, die dem Autor vorliegen, legen eine Präsenz in PLAN-Basen mindestens in Qingdao, aber möglicherweise bereits auch im Süden auf Hainan nahe.

Die Produktion dieses neusten Typs hat die chinesische Flotte an Jagd-U-Booten über die letzten fünf Jahre bereits effektiv verdoppelt, und der Bau weiterer Einheiten dauert an. In der Konsequenz durchläuft die chinesische Volksmarine daher eine bemerkenswerte Expansion ihrer diesbezüglichen Fähigkeiten, die historisch für Peking ohnegleichen ist.
In einem zweiten Teil wird sich hartpunkt den strategischen Booten, dem aktuellen Stand der Infrastruktur und zukünftigen Trends widmen.
Autor: Alexander Luck ist Analyst für Rüstungspolitik mit Schwerpunkt Marine und Luftfahrt. Sein Fokus liegt auf dem indopazifischen Raum, besonders Entwicklungen in China, Ostasien und Australien.