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Höhere Einsatzreichweite von FPV-Drohnen – russische Streitkräfte entwickeln eine neue Infanterie-Taktik

Sam Cranny-Evans

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Kürzlich in den sozialen Medien veröffentlichte Informationen geben Hinweise darauf, wie die russischen Streitkräfte die relativ begrenzte Einsatzreichweite von First-Person-View (FPV)-Drohnen durch eine neue Taktik erhöhen.

Ein am 20. Februar veröffentlichter Beitrag auf dem Social-Media-Account namens „Unfair Advantage“, der russischen Soldaten Ratschläge für den Kampf in der Ukraine erteilt, gibt einen Einblick in den Einsatz von FPV-Drohnen, um die Wirkung von Artillerie bei Offensivoperationen zu replizieren. Da der russischen Infanterie die Munition für einen massierten Einsatz von Steilfeuer fehlt, sind die russischen Infanteristen offenbar dazu übergegangen, FPV-Drohnen mit sich zu führen und sie für den Einsatz vorzubereiten, sobald sie sich in Schlagdistanz zur ukrainischen Stellung befinden. Dann werden die FPV-Drohnen aktiviert und „aus der Ferne [von den Drohnenpiloten] von ihren Positionen in der Tiefe aus gesteuert“, heißt es in dem Bericht, und es wird hinzugefügt, dass sie Richtantennen verwenden, die die für diese Art der Steuerung erforderliche Reichweite bieten.

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Normalerweise wird der Einsatz von FPV-Drohnen durch ihre geringe Batteriekapazität begrenzt, die in Minuten gemessen wird und eine relativ kurze Reichweite und Zeit über dem Ziel erlaubt. Wenn die FPV-Drohnen jedoch vor der Aktivierung in die Nähe des Ziels gebracht werden können, haben sie eine längere „effektive Akkukapazität“ und de facto mehr Zeit für die Bediener, ein lohnendes Ziel zu finden.

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Sobald sie in der Luft sind, werden die FPV-Drohnen eingesetzt, um mehrere aufeinanderfolgende Angriffe auf die ukrainischen Stellungen auszuführen, mit dem Ziel, sie niederzuhalten und so zu verhindern, dass die ukrainischen Soldaten herauskommen und die sich nähernde russische Infanterie angreifen. In dem Bericht heißt es, dass ein Angriffstrupp für diese Art von Angriffen mindestens 20 FPV-Drohnen mit sich führen kann.

In anderen Fällen werden FPV-Drohnen sowohl von russischen als auch ukrainischen Streitkräften zum Legen von Hinterhalten eingesetzt. Dazu werden die Drohnen hinter den Frontlinien entlang von Straßen „geparkt“, bis sich ein Zielfahrzeug annähert. Das spart Batteriekapazität, da die Drohne nicht auf der Suche nach einem Ziel fliegen muss. Dieser Ansatz kann laut Unfair Advantage auch gegen Bunker und Schützengräben eingesetzt werden.

Es ist wichtig, die FPV-Drohnentaktik in den Kontext der russischen Vorgehensweise bei Infanterieangriffen zu stellen. Üblicherweise werden Kräfte in Trupp- oder Gruppenstärke voraus eingesetzt, so dass sie sich an einem bestimmten Punkt sammeln können. Zunächst wird ein erster Trupp in die Offensive geführt, um die ukrainischen Stellungen aufzudecken, dann folgen weitere Trupps, so dass die Stellungen identifiziert und zerstört werden können. Gelegentlich erhalten sie Unterstützung durch gepanzerte Fahrzeuge und Artillerie, sind aber in erster Linie auf sich allein gestellt, um die Offensive durchzuführen.

Abwehr von FPV-Drohnenangriffen

Es hat auch den Anschein, dass sich die Ansätze zur Bekämpfung von FPV-Drohnen und Kleinstdrohnen auf eine Reihe von zentralen Fähigkeiten konzentrieren. Das erste Element besteht in der Detektion, wobei die Streitkräfte auf beiden Seiten Spektrumanalysatoren einsetzen, die eine Warnung oder einen Hinweis geben, wenn Funkfrequenzsignale auf einer bestimmten Frequenz entdeckt werden. Dies kann mit einem Videomonitor kombiniert werden, der automatisch das Videomaterial einer FPV-Drohne abfängt und dem Benutzer auf einem Bildschirm anzeigt. Auf diese Weise kann der Benutzer feststellen, worauf die FPV-Drohne abzielt, und gegebenenfalls in Deckung gehen oder zu entkommen versuchen.

Beim Abwehren von Drohnen gibt es mehrere Ansätze, angefangen bei der Störung. Die Störung richtet sich im Großen und Ganzen direkt gegen die Möglichkeit der Drohnen Satellitennavigationssignale empfangen zu können, wenn diese darauf angewiesen ist. Das liegt daran, dass die Signale aus dem Weltraum kommen und relativ schwach sind, sobald sie die Erde erreichen, was bedeutet, dass Breitband- und Weitbereichsstörungen den Drohnenflug in einem weiten Bereich unterbrechen können. Video- und Kontrollsignale sind jedoch widerstandsfähiger gegen Störungen und erfordern einen maßgeschneiderten und zielgerichteteren Ansatz. Dies wird dadurch erschwert, dass beide Seiten die Steuerfrequenzen ihrer Drohnen alle paar Wochen ändern. Ein Störsender, der vermutlich von den russischen Streitkräften eingesetzt wird, ist der Harpy CKJ-1704 Rucksack-Drohnenstörsender. Der Harpy ist für die Unterdrückung von Drohnensignalen in einem Radius von 2.000 m ausgelegt und kann bis zu vier Stunden lang ununterbrochen stören. Der Störsender hat eine Leistung von 300 W und soll gegen Frequenzen zwischen 430 und 960 MHz wirksam sein.

Gegen FPV-Drohnen mit Glasfaserkabeln ist die Störung jedoch wirkungslos, so dass kinetische Effekte die einzige Antwort darstellen. Dazu werden auf beiden Seiten vermehrt Kaliber-12-Schrotflinten eingesetzt, und im äußersten Fall kommen auch Sturmgewehre zum Einsatz. Nordkoreanischen Truppen wurde Berichten zufolge beigebracht, in einer Dreiergruppe zu operieren; ein Soldat rennt los, um die FPV-Drohne herauszulocken, und die beiden anderen schießen auf sie. Es ist üblich, dass in fahrenden Fahrzeugen mindestens ein Soldat mit einer Schrotflinte bewaffnet ist, um FPV-Drohnen, die das Fahrzeug verfolgen, zu bekämpfen.

Einem von einer russischen Nachrichtenagentur veröffentlichten Bericht zufolge schult das russische Verteidigungsministerium auch den Einsatz von Schrotflinten zur Abwehr von FPV-Drohnen. Der Beitrag zeigte Anna Taranosova, eine russische Meisterin im Schießen, die Soldaten an einer Reihe von Kaliber-12-Flinten ausbildet, darunter auch Sportwaffen und anscheinend auch halbautomatische SAIGA-12-Flinten, die über ein großes Magazin verfügen.

Anmerkung des Autors

Die Bedeutung von FPV-Drohnen für die Entwicklung des Krieges in der Ukraine ist schwer zu beurteilen. Sie sind für beide Seiten zu einem wichtigen Wirkmittel geworden, aber oft nur, weil kein ausreichender Zugang zu Artilleriemunition bestand, um die doktrinären Anforderungen beider Streitkräfte zu erfüllen. Daher ist es schwierig zu sagen, inwieweit der Einsatz kleiner Drohnen, die oft von den jeweiligen Truppen gebaut werden, die sie einsetzen, die russischen Streitkräfte nach dem Krieg beeinflussen wird.

Klar ist jedoch, dass die westlichen Streitkräfte angesichts der zunehmenden FPV-Drohnenangriffe in Syrien, Afrika und anderen Teilen der Welt Gegenmaßnahmen gegen diese Art von Drohnen entwickeln und in die zum Schutz ihrer Streitkräfte erforderlichen Fähigkeiten investieren müssen. Dies mag den von russischen und ukrainischen Einheiten gewählten Lösungen ähneln oder auch nicht. Aber aus dem Krieg lassen sich sicherlich Lehren für die beste Vorgehensweise ziehen.

Autor: Sam Cranny-Evans. Der Beitrag erschien erstmalig am 21.02.2025 in englischer Sprache auf der hartpunkt-Partnerseite Calibre Defence.