Am 18. April 2025 veröffentlichte die Japan Maritime Self-Defense Force (JMSDF) ein Bild ihrer hochmodernen Railgun, die derzeit an Bord des Versuchsschiffs JS Asuka getestet wird.
Im japanischen Verteidigungsministerium wird die Entwicklung der Railgun vom Ground Systems Research Center (GSRC) durchgeführt, einer Abteilung der Acquisition, Technology & Logistics Agency (ATLA). ATLA begann 2016 mit der Entwicklung der Railgun. Unter dem Namen „Forschung zu elektromagnetischen Beschleunigungssystemen“ wurde vom Haushaltsjahr 2016 bis zum Haushaltsjahr 2022 geforscht. Ziel war eine Mündungsgeschwindigkeit von 2.000 Metern pro Sekunde sowie eine Rohrlebensdauer von 120 Schuss. Mit anderen Worten: Man wollte eine stabile Feuerrate von 120 Schuss bei gleichbleibender Mündungsgeschwindigkeit erreichen.
Bei konventionellen Feuerwaffen stellt der durch die Explosion des Schießpulvers verursachte Druck eine Belastung für den Lauf dar – bei der Railgun entfällt dieses Problem. Dafür treten jedoch andere Herausforderungen auf, etwa Hitzeschäden durch den hohen elektrischen Strom sowie Abnutzung durch den Kontakt zwischen dem Projektil (Armature) und der Laufschiene. Diese Erosion der Laufschiene führt zu Leistungseinbußen wie sinkender Mündungsgeschwindigkeit. Anfangs wurde Kupfer als Material für die Laufschienen verwendet, später jedoch durch eine andere Metallmischung ersetzt. Das Ergebnis: Auch nach 120 Schuss konnte keine signifikante Beschädigung festgestellt werden.
ATLA führte im Oktober 2023 den ersten Schiffstest einer Railgun durch. Basierend auf den bisherigen Forschungsergebnissen geht das Projekt nun in die nächste Phase mit der Bezeichnung „Forschung zur zukünftigen Railgun“ über, geplant für die Haushaltsjahre 2022 bis 2026. Während sich die bisherigen Studien auf das Abfeuern von Projektilen konzentrierten, soll nun ein komplettes Waffensystem erforscht werden, das aus mehreren Komponenten für den operationellen Einsatz besteht. Bestandteile der Forschung sind:
- kontinuierliches Feuern von Projektilen
- ein Feuerleitsystem
- Flugstabilität der Projektile nach dem Abschuss
Bisher lag der Fokus auf Einzelschüssen, jetzt wird an der Fähigkeit zum Dauerfeuer gearbeitet – entscheidend für Einsätze, in denen z. B. mehrere anfliegende Raketen abgewehrt oder auf mehrere Ziele wie feindliche Schiffe gleichzeitig gefeuert werden muss.
Auch die Flugstabilität der Projektile wird weiterentwickelt. Denn selbst eine Railgun muss – wie konventionelle Artillerie – sicherstellen, dass das Projektil nach dem Verlassen des Rohrs stabil fliegt. Sonst kann es sein Ziel nicht präzise treffen. Zudem würde ein hinsichtlich der Stabilität nicht optimiertes Projektil trotz Hyperschallgeschwindigkeit durch den Luftwiderstand schnell abgebremst. Verbesserte Stabilität und reduzierte Luftreibung würden nicht nur die Reichweite erhöhen, sondern auch die Trefferwirkung verbessern.
Darüber hinaus umfasst ein vollständiges Waffensystem mehr als nur die Abschussvorrichtung und die Munition. Ein Feuerleitsystem ist unerlässlich, um die Railgun zu steuern, Ziele mithilfe externer Sensoren zu erfassen, Flugbahnen und Einschlagspunkte vorherzusagen und präzise Treffer zu ermöglichen. Daher wird ein speziell auf die Railgun zugeschnittenes Feuerleitsystem entwickelt, das ihre besonderen Eigenschaften – wie etwa die Mündungsgeschwindigkeit – berücksichtigt.
Ein zentrales Problem bei der Einsatzfähigkeit von Railguns bleibt die Energieversorgung. Da das Projektil durch einen enormen elektrischen Strom beschleunigt wird, sind leistungsfähige Stromquellen und Energiespeicher – insbesondere für Dauerfeuer – entscheidend. Großgeneratoren und -speicher wären zwar technisch ausreichend, lassen sich aber auf räumlich begrenzten Plattformen wie Kriegsschiffen oder mobilen Landfahrzeugen schwer unterbringen. Daher wird parallel auch an einer Miniaturisierung der Stromversorgung gearbeitet.
Einsatzmöglichkeiten: Vom Küstenschutz bis zum Einsatz auf hoher See
Welche Einsatzszenarien sieht das Verteidigungsministerium für Railguns vor? Laut ATLA-Dokumenten sind Railguns sowohl für den maritimen als auch landbasierten Einsatz vorgesehen. Auf See sollen sie vor allem zur Abwehr anfliegender Anti-Schiffs-Flugkörpern dienen – insbesondere von Hyperschall-Marschflugkörpern, die aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit schwer abzufangen sind. Mit ihrer hohen Geschwindigkeit und Reichweite könnten Railguns eine gestaffelte Luftverteidigung in Kombination mit Flugabwehrraketen auf Schiffen ermöglichen.
An Land wird vor allem der Einsatz als Counter-Battery-System zur Bekämpfung feindlicher Artilleriestellungen weit hinter der Frontlinie erwogen – ähnlich wie bei klassischen Haubitzen. Dank der Reichweiten- und Geschwindigkeitsvorteile der Railgun könnten feindliche Artilleriestellungen effektiv ausgeschaltet werden. Darüber hinaus zeigen ATLA-Dokumente den Einsatz als Küstenartillerie, um feindliche Schiffe auf hoher See zu bekämpfen. Dabei wird erwartet, dass Hyperschallprojektile in der Lage sind, wichtige Bereiche feindlicher Kriegsschiffe zu durchschlagen und zu zerstören.
Auch im Bereich der Munition wird geforscht – nicht nur zu panzerbrechenden Geschossen, sondern auch zu Airburst-Munition, die in der Luft explodiert und Splitter verteilt – besonders geeignet für die Flugabwehr. Mit dem Übergang zur Entwicklung eines vollständigen Waffensystems schreitet die Railgun-Technologie stetig in Richtung operativer Einsatzfähigkeit und technologischer Reife voran.
Japanisch-französisch-deutsche Zusammenarbeit bei Railgun-Technologie
Japans ATLA und das französisch-deutsche Forschungsinstitut Saint-Louis (ISL) unterzeichneten im vergangenen Jahr eine Vereinbarung (Terms of Reference, TOR), mit dem Ziel, „eine Zusammenarbeit bei Forschung, Entwicklung, Tests und Evaluierung von Railgun-Technologien zu prüfen“.
Damals befragte Naval News Vertreter aller Parteien zu dieser Kooperation.
Kürzlich erfuhr Naval News von einem ISL-Vertreter, dass die Zusammenarbeit gut verläuft. Ingenieure wurden zwischen den Institutionen ausgetauscht: ATLA-Ingenieure arbeiten derzeit beim ISL in Frankreich, während ISL-Ingenieure nach Japan entsandt wurden.
Autor: Yoshihiro Inaba. Der Beitrag erschien erstmalig am 18.04.2025 in englischer Sprache auf der hartpunkt-Partnerseite Naval News.