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KSK goes NATO – Sachstand und Entwicklungen im Kommando Spezialkräfte

Autorenteam aus dem Kommando Spezialkräfte

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NATO-Verpflichtungen, Personalregeneration und Zeitenwende kennzeichnen wesentliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Kommando Spezialkräfte (KSK). Die daraus resultierenden Anpassungen in Strukturen, Verfahren und Ausrüstung betreffen den gesamten Verband.

Spagat zwischen Geiselbefreiung und NATO New Force Model

Spezialkräfte müssen grundsätzlich zu drei Aufgaben einsetzbar sein: Zur Militärischen Zusammenarbeit und Ausbildungsunterstützung von Partnerspezialkräften und legitimen Widerstandsbewegungen (Special Warfare), zur Aufklärung von militärstrategischen Schlüsselinformationen (Strategic Reconnaissance, SR) sowie zum Einsatz gegen gegnerische Hochwertziele (Surgical Strike). Dazu bedarf es schnell verlege- und einsatzfähiger Kräfte, die über weite Entfernungen mittels jeder Verbringungsart unter allen geografischen und klimatischen Bedingungen weitgehend autark einsetzbar sind. Darüber hinaus leistet das KSK einen Beitrag zum nationalen Risiko- und Krisenmanagement zum Schutz deutscher Staatsangehöriger im Ausland.

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Grundsätzlich hält der Verband seit seiner Aufstellung Kräfte in hohem Bereitschaftsgrad vor, die deutsche Zivilisten aus terroristischer Bedrohung und Geisellagen oder deutsche Soldaten aus Gefangenschaft in den Krisenregionen der Welt befreien können. Die Unterstützung weltweiter Evakuierungsoperationen wie 2021 in Kabul oder 2023 in Sudan bleiben im Auftragsbuch des KSK präsent.

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Bereits 2018 meldete die Bundesrepublik Deutschland umfangreiche Spezialkräftefähigkeiten für die NATO Response Force (NRF) 2023 an. Als personalstärkster Spezialkräfteverband der Bundeswehr beteiligt sich das KSK maßgeblich. Neben Einzelpersonal für das deutsch geführte multinationale Hauptquartier für Spezialkräfteoperationen, das Special Operations Component Command (SOCC), stellt das KSK außerdem eine Einheit in Kompaniestärke bereit. Diese Special Operations Land Task Group (SOLTG) verfügt über Fähigkeiten im gesamten Einsatzspektrum der Spezialkräfte.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine organisiert sich die NATO mit ihrem New Force Model neu. Die Bundeswehr wird darin das zweitgrößte Spezialkräftekontingent der NATO nach den USA stellen. Für das KSK bedeutet dies, gestaffelt bis 2028 mehrere SOLTGs in unterschiedlichen Bereitschaftsgraden aufzustellen. Für die Spezial- und Spezialisierten Kräfte des Heeres ist dies eine fordernde Aufgabe. Damit ist die Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) im NATO-Rahmen die Hauptaufgabe der kommenden Jahre.

Das KSK wird weiterhin weltweit einsetzbar sein; das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Zentral- und Nordosteuropa. Die Zusammenarbeit mit den NATO-Partnern im erweiterten Ostseeraum hat für die Bundeswehr und somit auch für das KSK Priorität. Bereits im Frieden werden so vertrauensvolle Zusammenarbeitsbeziehungen beispielsweise mit polnischen oder litauischen Spezialkräften etabliert.

Strukturen und Ausbildung

Durch die verstärkte Konzentration auf Landes- und Bündnisverteidigung und die vorgegebenen Planungsziele bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Fähigkeit zur Geiselbefreiung weltweit ist der Anpassungsbedarf der Ausbildung in den Spezialkräften des Heeres hoch. Der Faktor Zeit gewinnt in der Gestaltung der Ausbildung noch stärker an Bedeutung.

Die Ausbildung der Spezialkräfte des Heeres ist zukünftig unter dem Gesichtspunkt Integration in die NATO-Verteidigungsplanungen zu gestalten. Dabei kommt es darauf an, die Ausbildung breit auf allen Ebenen für die gesamten Spezialkräfte der Bundeswehr als wesentlicher Bestandteil des Operationsverbundes der Spezialkräfte abzustimmen und zu gestalten. Hier ist ein wesentlicher Richtungswechsel – auch im Mindset – der Spezialkräfte erfolgt. Waren bisher der Einsatz von Kleinstelementen bis hin zum Einsatz eines Einsatzverbandes „Retten und Befreien“ der Mittelpunkt der Überlegung, ist es zukünftig erforderlich, sich noch weiter dem „System NATO“ anzupassen.

Vor allem die Erfahrungen aus dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine, aber auch Verpflichtungen gegenüber der NATO, ein sich wandelndes Fähigkeitsspektrum und die Effekte aus der Neuausrichtung des Heeres erfordern eine zeitnahe Untersuchung der Strukturen der Spezialkräfte des Heers. Bestimmende Stellgrößen sind dabei die Dezentralisierung von Führungseinrichtungen und -verfahren und daraus folgend eine gestärkte Auftragstaktik.

Personalregeneration

In vielen westlichen Spezialeinheiten ist die oft nicht ausreichende Verfügbarkeit von geeignetem Personal ein Topthema. Dieser Sachverhalt wird durch die demographische Entwicklung und die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland verstärkt.

Um keine geeigneten Bewerber zu verlieren und noch spezifischer testen zu können, haben die Spezialkräfte des Heeres ein neues Verfahren für die Auswahl von geeignetem Personal entwickelt. Der Fokus liegt in Zukunft auf einer ausgewogenen Bewertung des vorhandenen körperlichen und geistigen Potentials des Bewerbers bzw. der Bewerberin für eine Verwendung in den Spezialkräften des Heeres.

Trainierbare Eigenschaften sind im Rahmen der Betrachtung in den Hintergrund gerückt und werden im Rahmen der mehrjährigen Ausbildung kompensiert. Zusätzlich könnte der Aufbau einer Verstärkungsreserve Möglichkeiten bieten, die Strukturen resilienter zu gestalten und das vorhandene Personal zu entlasten.

Speziallösungen oder Standard?

Wie die Spezialkräfte des Heeres auf die materiellen Herausforderungen der Zukunft reagieren.

Die bereits erwähnten veränderten Parameter unter dem Fortbestand des Alleinstellungsmerkmals militärische Geiselbefreiungsoperationen der Spezialkräfte des Heeres wirken sich in Konsequenz natürlich auch auf deren Ausstattung und den Ausstattungsumfang aus. Führungsmittel, Waffen, Fahrzeuge, Bekleidung und andere Ausrüstung müssen diesen Ansprüchen gerecht werden und dem potentiellen Gegner mindestens ebenbürtig, wenn möglich jedoch überlegen sein.

Insbesondere das Material der Kommandokräfte unterliegt in Konsequenz einem schnellen Innovations- und Regenerationszyklus, um diesem Anspruch gerecht zu werden und auch, um auf die sich ständig veränderten Rahmenbedingungen reagieren zu können. Hierzu bedienen sich Spezialkräfte immer häufiger sogenannter Vorhabenpläne. Pläne, die eine ganze Fähigkeit abbilden und über einen längeren Zeitraum beschreiben und planerisch auch mit finanziellen Mitteln hinterlegt sind, kurze Regenerationszyklen, Anpassung an den technischen Fortschritt und Innovation inklusive. Der Ansatz „achtzig ist das neue hundert“, sich also auch mit einer achtzigprozentigen materiellen Lösung zufrieden zu geben, ist nicht der Anspruch von Spezialkräften. Daher investieren diese kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um auch innovative Ausrüstung und Technologien zu entwickeln, die ihren Anforderungen entsprechen.

Somit bleibt festzuhalten, dass Spezialkräfte immer eine spezielle Ausrüstung als Standard benötigen, welche sich überwiegend sehr deutlich von der querschnittlichen Truppe unterscheidet und weltweit unter allen geografischen und klimatischen Bedingungen und weitgehend autark einsetzbar sein muss. Spezialkräfte sind daher oft Vorreiter bei der Nutzung neuer Technologien und Taktiken. Die Nutzung dieses Materials ist aus Sicht der Spezialkräfte jedoch nicht nur exklusiv diesen Kräften vorbehalten. Spezialkräfte sehen sich hier eher in der Rolle eines „Testbed“ für die Streitkräfte im Sinne von Testumgebung und Prüfstand, um bei Bewährung auch Einzug in die Ausstattung anderer Truppengattungen bzw. Organisationsbereiche zu erhalten. Dies beinhaltet aber auch, mit einem Ansatz oder einem Produkt einmal scheitern zu dürfen und die anfänglich gute Idee wieder bei Seite zu legen.

Auch der Ausstattungsumfang unterliegt „speziellen“ Erfordernissen und ist mit der klassischen Ausstattung anderer Truppenteile nicht im Ansatz vergleichbar. Spezialkräfte sprechen hier von der sogenannten „Optionalen Ausstattung“. Einem Ausstattungspaket also, das jeweils individuell auf den jeweiligen Auftrag zugeschnitten wird. Somit verfügen die Spezialkräfte des Heeres zum Beispiel nicht nur über das eine Scharfschützengewehr oder das eine Gefechtsfahrzeug, sondern über einen großen Mix an unterschiedlichen Optionen.

Die Aufbewahrungsstätte des Materials gleicht daher auch eher dem Hochregallager eines mittelständischen Unternehmens.

Dennoch wird – wo immer möglich und zweckmäßig – zumindest eine gewisse Nähe auch zu querschnittlich eingeführtem Material angestrebt. Insbesondere bei den Unterstützungskräften des KSK wird überwiegend auf bereits eingeführtes und bewährtes Großgerät zurückgegriffen, um so auch von Synergieeffekten in den Bereichen Personal, Ausbildung und Logistik zu profitieren und bereits vorhandene Strukturen, Verfahren und Prozesse zu nutzen. Persönliche Ausstattung, Führungsmittel und Bewaffnung bleiben dennoch auf Augenhöhe mit den Kommandokräften. Hier wird zukünftig kein Unterschied mehr gemacht.

Entgegen der langläufigen Meinung verfügen die Spezialkräfte nicht über einen eigenen Rüstungsprozess oder gar einen eigenen Haushaltstitel. Mit ihren Rüstungsprojekten stehen diese, wie alle anderen Bedarfsträger auch, im täglichen Kampf um Haushaltsmittel, Personal und Priorisierung, bürokratische Hürden, rechtliche Auflagen und langwierige Zulassungsverfahren inklusive. Die in der Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 25. März 2023 zur beschleunigten Beschaffung aufgeführten Maßnahmen, bieten daher auch für die Spezialkräfte Chancen, ihre Ausstattung maßgeschneidert, überlegen und flexibel an die Anforderungen der Zukunft anzupassen.

Fazit

Das KSK passt sich fortlaufend an die Rahmenbedingungen an, ein Prozess, der kontinuierlich erfolgt. Aktuell treffen mehrere sich ändernde Faktoren zusammen und führen zu intensiven Maßnahmen, die das KSK auch künftig in hoher Einsatzbereitschaft mit einmaligen Fähigkeiten auf weltweit hohem Niveau halten. Damit steht der politischen Leitung und der militärischen Führung weiterhin ein verlässliches strategisches Werkzeug zur Verfügung, das innovativ Probleme lösen kann.

Autorenteam aus dem Kommando Spezialkräfte