Der im baden-württembergischen Friedrichshafen ansässige Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems AG, ehemals MTU Friedrichshafen, investiert kräftig in zusätzliche Produktionskapazitäten des einsatzbewährten Leopard-2-Motors MB 873 und entwickelt mit dem 10V199 zeitgleich einen Motor, der unter anderem als Alternativmotor für die Leopard-2-Panzerfamilie genutzt werden kann. Dieser Motor ist bei gleicher Leistung signifikant leichter, benötigt weniger Bauraum und verspricht – bezogen auf die Gefechtsfahrzeuggesamtflotte der Streitkräfte – logistische Vorteile.
Obwohl der Leopard 2 seit nunmehr fast 50 Jahren in Nutzung ist, gilt der als MB 873 bezeichnete Motor noch heute als Goldstandard. Die Robustheit und geringe Anfälligkeit des Vielstoffmotors, selbst wenn dieser mit Kraftstoff geringer Qualität versorgt wird, sind unter Panzerfahrern hochgeschätzt. Ursprünglich für das Vorhaben Kampfpanzer 70 Mitte der 60er Jahre entwickelt, wird der MB 873 seit 1978 für alle Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 sowie die komplette Leopard-2-Fahrzeugfamilie in Serie gefertigt.
Obwohl der Kampfpanzer in der Nutzungszeit mehrere Modernisierungsschritte durchlaufen hat, wurden beim Antrieb im Wesentlichen keine Änderungen vorgenommen. Der ausschlaggebende Grund dafür liegt in der Logistik. Eine Änderung am Motor bzw. des Motors erfordert Anpassungen am Getriebe, der Kühlanlage sowie dem weiteren Antriebsstrang und je nach Art der Änderung unter Umständen sogar an der Wanne, um den benötigten Bauraum entsprechend anpassen zu können. Diese Änderungen beeinflussen die Logistik so massiv, dass eine vor geraumer Zeit seitens Rolls-Royce (damals noch als MTU) untersuchte Repowering-Option des Leopard 2 mittels eines als EuroPowerPack bezeichneten Triebwerks auf Basis des MTU-Motors MT883 Ka-500/501 von den Nutzern des Leopard 2 als nicht zielführend betrachtet wurde.
Mit der jüngst erfolgten Vergabe einer Bundeswehr-Entwicklungsstudie für ein als „OLYMP“ bezeichnetes Alternativtriebwerk für die Leopard 2 an den Panzerbauer KNDS Deutschland, der aber auf Basis eines Liebherr-Motors realisiert werden soll – hartpunkt berichtete –, scheint jedoch Bewegung in das Vorhaben gekommen zu sein. Da die Leopard-2-Flotte sicherlich noch mehrere Jahrzehnte im Dienst verbleiben wird, sehen die Nutzer offenbar Bedarf, zumindest die Möglichkeit einer Repowering-Option genauer zu untersuchen.
Investition in den MB 873
Aus Obsoleszenz-Erwägungen wäre eine solche Untersuchung nach Ansicht von Rolls-Royce nicht notwendig. Dies bestätigte das Unternehmen auf Anfrage von hartpunkt. Das Gegenteil ist der Fall: Die Friedrichshafener Motorenbauer haben „kräftig“ in den Ausbau der MB-873-Produktion investiert und die Fertigungskapazitäten eigenen Angaben zufolge verdoppelt. In der wehrtechnischen Motorenfertigung wurden rund 100 neue Mitarbeiter eingestellt, um den generell wachsenden Bedarf decken zu können. Allein in den letzten zwei Jahren wurden von mehreren Nationen rund 245 neue Leopard-2-Kampfpanzer bestellt, hinzu kommen eine vereinbarte Option für 20 weitere sowie Bestellungsankündigungen für rund 160 zusätzliche Kampfpanzer. Darüber hinaus sind da noch Bestellungen und Erwartungen für zahlreiche weitere Unterstützungsfahrzeuge auf Basis des Leopard 2. Alle diese Panzer müssen mit neuen Motoren ausgestattet werden. „Was immer benötigt ist, wir haben keine Schwierigkeit, diese Mengen in Deutschland herzustellen“, so Rolls-Royce gegenüber hartpunkt.
Im Gegensatz zur Fertigung der Leopard-1-Motoren, die zwischenzeitlich über Jahre hinweg nicht nachbeschafft wurden, wurde der MB 873 nach Angaben des Herstellers auf Grund der Nachfrage durchgehend gefertigt, so dass die Lieferketten entsprechend aktiv sind.
Rolls-Royce sieht zudem Potenzial, mehr Leistung aus dem Motor herauszuholen, falls dies gewünscht bzw. erforderlich sei. Die Leistung des MB 873 kann offenbar von derzeit rund 1.100 kW auf etwa 1.200 kW angehoben werden. Jedoch wäre auch dafür mindestens eine Anpassung am Getriebe notwendig. Vermutlich müsste auch die Bremsanlage verändert werden, um mit der zusätzlichen Leistung fertigwerden zu können.
Entwicklung des 10V199
Unabhängig von den Bestrebungen zum Ausbau der Produktionskapazitäten des MB 873 entwickelt Rolls-Royce derzeit einen Motor auf Basis der 199er Motorenbaureihe der auch als Alternativmotor für die Leopard 2 genutzt werden könnte. Die 199er Motorenbaureihe ist weit verbreitet und kommt in zahlreichen Gefechtsfahrzeugen zum Einsatz. Die 6-Zylindervarianten (6V199) werden beispielsweise in den Radpanzern Fuchs 2 und Piranha V sowie dem Kettenfahrzeug ACSV G5 verbaut. Die 8-Zylinderversionen (8V199) treiben den Radpanzer Boxer sowie zahlreiche Kettenfahrzeuge – Ajax, ASCOD, M10 Booker und Borsuk – an.
Da die 199-Baureihe das gleiche Instandsetzungs- und Ausbildungskonzept sowie viele Gleichteile (Kolben, Zylinderköpfe, …) nutzt, können so signifikante logistische Synergievorteile und Skaleneffekte über die Gesamtflotten der Streitkräfte realisiert werden.
Mit dem 10V199 wird bald eine weitere Variante der Baureihe marktverfügbar, die auch Kampfpanzer antreiben kann. Wie Rolls-Royce gegenüber hartpunkt angibt, entwickelt das Unternehmen den Motor derzeit auf eigene Kosten. Die ersten Motoren sollen 2026 an einen nicht näher spezifizierten Kunden ausgeliefert werden. Der 10V199 soll genau so wie der MB 873 bis zu 1.100 kW leisten können.
Der Motorenbauer gibt weiterhin an, dass man auf eigene Kosten eine Studie zur Integration des 10V199 auf den Leopard 2 durchgeführt habe. Das Ergebnis habe gezeigt, dass der Motor mit entsprechenden Änderungen am Getriebe und der Kühlung erfolgreich in dem Kampfpanzer verbaut werden könnte. Da der 10V199 (rund 27 Liter Hubraum) kürzer als der MB 873 (47,6 Liter Hubraum) ausfällt, würde Bauraum in der Panzerwanne frei, welcher für andere Zwecke genutzt werden könnte. Auch das Gewicht des 10V199 dürfte deutlich geringer ausfallen als die 2,2 Tonnen des MB 873.
Waldemar Geiger