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MBDA Deutschland plant Design Freeze für RCM² noch im laufenden Jahr

Lars Hoffmann

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Der Lenkflugkörper-Spezialist MBDA Deutschland kommt mit der Entwicklung seines Multi-Domain-Effektor RCM² offenbar gut voran. Wie hartpunkt aus gut informierten Kreisen erfahren hat, strebt das Unternehmen noch im laufenden Jahr einen sogenannten Design Freeze für den Airframe an, bei dem die wesentlichen Eigenschaften festlegt werden. Ziel soll es überdies sein, bis 2028 den Verschuss der Waffe vom Boden aus zu testen.

MBDA Deutschland hatte den RCM² – das Kürzel steht für Multidomain Multirole Remote Carrier –erst Mitte vergangenen Jahres bei der Luftfahrtmesse ILA in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert. Laut Hersteller soll der RCM² für ein breites Einsatzspektrum – sowohl kinetisch als auch im elektromagnetischen Spektrum – einsetzbar sein und dabei eine hohe Reichweite aufweisen.

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Das Unterschall-Waffensystem basiert auf einem sogenannten Remote Carrier, den MBDA für das Future Combat Air System (FCAS) entwickelt. Im Vergleich zu bislang verfügbaren Systemen soll der mit Stealth-Eigenschaften versehene RCM² insbesondere in einem auftragsbasierten Effektor-Verbund in stark umkämpften oder verteidigten Einsatzgebieten agieren und so die Durchsetzungsfähigkeit im Einsatz erhöhen.  

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Das Unternehmen beabsichtigt, den RCM² nicht nur aus der Luft zu starten, sondern auch vom Boden und von See, um eine teilstreitkräfteübergreifende Nutzung zu ermöglichen. Damit dürften aufgrund des größeren Bedarfs bei der Produktion leichter Skaleneffekte zu erreichen sein, was wiederum die Kosten senkt. Neben der Ausstattung mit einem Gefechtskopf soll der RCM² in weiteren Ausbaustufen auch sensorbasierte Aufklärungs- und Zieldaten gewinnen und damit Echtzeit-Lagebilder zur Verfügung stellen.

Dass ein Basis-Effektor für den Einsatz in verschiedenen Teilstreitkräften projektiert wird, ist grundsätzlich nichts Neues. So wurde die vom norwegischen Kongsberg-Konzern gebaute Naval Strike Missile (NSM) zunächst für den Einsatz von Schiffen ausgelegt und später mit Fokus auf den Küstenschutz für den Verschuss vom Boden angepasst. Aus der NSM folgte überdies die Weiterentwicklung zur Joint Strike Missile zum Einsatz von Kampfflugzeugen.

Kenner der Materie gehen davon aus, dass sich der RCM² von Waffen wie der NSM oder den in Raketenwerfern wie dem MARS 2 genutzten Effektoren vor allem durch die Reichweite unterscheiden wird. Diese könnte beim Start vom Boden bei bis zu 500 Kilometern liegen, vom Start aus der Luft noch darüber. Beim Launch aus der Luft muss nicht unbedingt ein klassisches Kampfflugzeug als Plattform genutzt werden, sondern perspektivisch auch ein Transportflugzeug wie die A400M.

Erforderlich ist bei der Boden-Boden-Variante die Verwendung eines Boosters, der das Waffensystem beim Start beschleunigt, bis das Turbojet-Triebwerk allein für den Vortrieb sorgt. Insgesamt könnte der RCM² womöglich auf Dimensionen von rund vier Metern Länge, eine Höhe von 40 cm und eine Breite von 30 cm kommen. Das Gewicht dürfte bei etwa 350 kg ohne Booster liegen. Beobachter schätzen, dass von diesem Gewicht etwa ein Viertel auf den Gefechtskopf entfallen könnten. Diese Daten sind jedoch unter Vorbehalt zu betrachten, da der Design Freeze wie gesagt noch aussteht. Beobachter gehen davon aus, dass MBDA im Austausch mit dem potenziellen Kunden steht, auch wenn das Projekt für die Landanwendung bislang aus eigener Tasche finanziert wird.

Wie es heißt, strebt der Hersteller offenbar an, wesentliche Komponenten in Deutschland zu fertigen. Außerdem soll auf Teile, die der US-Exportkontrolle gemäß ITAR unterliegen, möglichst verzichtet werden.

Um mit dem RCM² die notwendige „Combat Mass“ zu erreichen, ist es erforderlich, bei der Produktion des Effektors auf die Kosten zu schauen. Denn nur wenn Waffen erschwinglich sind, können Streitkräfte eine größere Zahl erwerben.

Neben den erwähnten Skaleneffekten durch die teilstreitkraftübergreifende Nutzung kann dies durch die Verwendung bereits in anderen Produkten eingesetzter Bauteile erfolgen. Wie es heißt, wird dieser Ansatz auch von MBDA verfolgt. So könnten etwa Sensoriken, Antennen oder Ruderelemente, wie sie im Marschflugkörper Taurus Verwendung finden, auch in den RCM² integriert werden.

Dem Vernehmen nach soll der Flugkörper zunächst dafür ausgelegt werden, stationäre Ziele anzugreifen oder solche, die periodisch verlegt werden. Zur letzten Kategorie gehören beispielsweise Stellungen der Luftverteidigung. Um diese zu finden, könnte der RCM² dazu ertüchtigt werden, ein Zielgebiet abzufliegen und zu scannen.

Lars Hoffmann