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Radschützenpanzer wird Future Common Drive Module des Boxers nutzen

Waldemar Geiger

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Die Grenadierverbände der neuen „Mittleren Kräfte“ sollen eigenverlegefähig sein und werden deshalb Radschützenpanzer auf Boxerbasis als zukünftiges „Schlachtross“ erhalten. Wie hartpunkt bereits Anfang Mai berichtet hat, hat sich die Bundeswehr dazu entschieden, das neue Gefechtsfahrzeug mit einem unbemannten Turm vom Typ RCT30, so wie er auch beim Schützenpanzer Puma zum Einsatz kommt, auszustatten. Wie im Rahmen der Messe Eurosatory 2024 zu erfahren war, wurde die Artec GmbH, ein Joint Venture von KNDS Deutschland, Rheinmetall Landsysteme und Rheinmetall Defence Nederland, mittlerweile aufgefordert, ein entsprechendes Angebot abzugeben. Ziel der Bundeswehr ist es offenbar, noch 2024 einen Vertragsschluss über die europäische Rüstungsagentur OCCAR zu erreichen.

Die Einführung des Systems in die Streitkräfte könnte im Rahmen einer sogenannten Delta-Qualifikation vergleichsweise schnell erfolgen, da die einzelnen Systemkomponenten – wenn auch nicht in dieser Kombination – bereits eingeführt sind. Im Rahmen einer solchen Qualifizierung müssten dann nur die Änderungen, also das „Delta“, qualifiziert werden, wobei der neue Beschaffungsprozess PBN (Projektbezogene Bedarfsdeckung und Nutzung) die Möglichkeit der Anerkennung von „Fremdqualifikationen“ (anerkannten Test und Prüfungen außerhalb von Bundeswehrprüfstellen) beinhaltet. Das könnte die ganze Sache noch weiter beschleunigen.

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Der Gesamtbedarf der Bundeswehr liegt bei 150 Fahrzeugen. Da auch die Niederlande Interesse an dem System haben, könnte der deutsch-niederländische Gesamtbedarf auf rund 220 Fahrzeuge anwachsen. Dem Vernehmen nach ist es das Bestreben, die Bundeswehrfahrzeuge noch vor 2030 vollständig der Truppe zur Verfügung zu stellen.

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Gut unterrichteten Kreisen zufolge wird der neue Radschützenpanzer einige kleinere und größere Neuerungen für die Bundeswehr und die Grenadiertruppe enthalten. So scheinen sich die Boxer-Nutzernationen zur Vereinfachung der Logistik und Produktion auf einen neuen gemeinsamen Standard für das Boxer-Fahrmodul geeinigt zu haben. Der zukünftige Radschützenpanzer wird das erste Boxerfahrzeug der Bundeswehr sein, das auf dem sogenannten Future Common Drive Module aufgebaut wird. Wesensmerkmal des neuen Standard-Fahrmoduls, welches sehr stark an die UK-Variante angelehnt sein soll, wird die maximale Traglast von 40 Tonnen sein. Ursächlich für die höhere Nutzlast sind neue Reifen sowie Änderungen am Fahrwerk. Zudem wird es leichte Änderungen bei der Wanne geben, welche zukünftig über eine 6-Punkt-Lagerung für die Missionsmodule verfügen wird. Das derzeitige Boxer-Fahrmodul der Bundeswehr nutzt eine 4-Punkt-Lagerung. Es wird jedoch eine Abwärtskompatibilität geben, so dass das neue Fahrmodul auch Bestands-Missionsmodule aufnehmen kann.

Interessant in diesem Zusammenhang ist der Punkt, dass die Fahrmodule generell so ausgelegt sind, dass sie unterschiedliche MTU-Triebwerke – sowohl den „klassischen“ MTU-Dieselmotor 8V 199 TE20 mit 530 kW Leistung als auch den aus dem britischen Boxerprogramm stammenden MTU-Dieselmotor 8V 199 TS21 mit 600 kW Leistung – aufnehmen können. Die Interoperabilität geht soweit, dass im Gefecht sogar ein defektes TE20-Triebwerk gezogen und unverzüglich durch ein TS21-Triebwerk ersetzt werden könnte.

Auch zum Thema Missionsmodul des Radschützenpanzers, bekannt unter dem Namen „PuBo“ (Puma Boxer), gab es in Paris einige interessante Details zu erfahren.

Absicht der deutschen Streitkräfte ist es offensichtlich, den Schützenpanzer in einem dem modernsten Puma vergleichbaren Entwicklungsstand zu beschaffen. Deshalb wird  das Fahrzeug über ein leistungsstärkeres Softkill-Aktivschutzsystem MUSS 2.0  verfügen  (abgebildet ist ein Fahrzeug mit der älteren MUSS-Variante mit einer deutlich größeren Signatur). Zudem wird es wohl ein aus dem Schützenpanzer bekanntes 360-Grad-Sichtsystem geben. Unklar ist hingegen, ob der Radschützenpanzer eine TSWA-Sekundärbewaffnung erhalten wird. Gefordert werden aber wohl zwei Heckluken.

Der Kampfraum des Radschützenpanzers wird neben der dreiköpfigen Fahrzeugbesatzung Platz für sechs Grenadiere haben. (Bild: Waldemar Geiger / hartpunkt)

Dem Vernehmen nach wird der „Puma Rad“, wie ihn einige Beobachter mit  mit Augenzwinkern bezeichnen  – über einen Kampfraum mit einem dem Schützenpanzer Puma ähnlichen Raumvolumen verfügen. Das erlaubt es, dass die gesamte eingeführte Gruppenausrüstung in dem neuen Gefechtsfahrzeug Platz finden wird. Im Gegensatz zum Puma wird der Radschützenpanzer aber über einen etwas engeren, dafür aber höheren Kampfraum verfügen. Damit wird es keine aus dem Schützenpanzer Puma bekannte Größeneinschränkung der Besatzung geben, so dass es weiterhin Verwendungsmöglichkeiten für Grenadiere mit preußischem Gardemaß innerhalb der Truppengattung geben wird.

Eine weitere „maßgebliche“ Kampfwertsteigerung gegenüber dem Schützenpanzer Puma wird eine integrierte Möglichkeit des Toilettenganges geben. Dem Vernehmen nach soll dazu einer der sechs Kampfraumsitze als „Klositz“ ausgelegt sein, wie er beim UK-MIV-Boxer bereits realisiert wurde. Dabei handelt es sich im Grunde um einen „normalen“ Sitz mit einem Loch in der Sitzfläche, wo ein entsprechender Chemietoilettenbeutel angebracht werden kann, um im Falle des Falles eine Notdurft – die Betonung liegt auf dem Wortteil Not – verrichten zu können.

Waldemar Geiger