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TaWAN – Angebot der Industrie offenbar deutlich über Budget

Lars Hoffmann

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Die Bundeswehr plant durch das Vorhaben Tactial Wide Area Network für Landoperationen (TaWAN LBO), die Kommunikation zwischen den Truppen auf dem Gefechtsfeld, die in Zukunft mit digitalen Funkgeräten ausgestattet sein werden, mit den Dienststellen im Hinterland sicherzustellen. Um einen durchgängigen und interoperablen Informations- und Kommunikationsverbund zu gewährleisten, kommen den Planungen zufolge bei TaWAN unter anderem Satellitenverbindungen, sogenannte Troposcatter sowie Richtfunksysteme als Mittel der digitalen Datenübertragung zum Einsatz. Da bei dem Vorhaben der Geschwindigkeit Priorität eingeräumt wird, sollen möglichst marktverfügbare Produkte gekauft werden. Das gilt auch für den Bereich Richtfunk.

Für diesen Richtfunk-Anteil hat sich dem Vernehmen nach ein Anbieter-Konsortium aufgestellt, dass aus Rheinmetall und Airbus Defence and Space besteht, wobei letzteres Unternehmen im Lead und dem Vernehmen nach für das Netzmanagement zuständig ist. Das Konsortium hat auch bereits vor einigen Monaten ein indikatives Angebot abgegeben. Wie es aus gut informierten Kreisen heißt, soll dieses jedoch deutlich über den eingeplanten Mitteln liegen, die rund zwei Milliarden Euro betragen.

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Sollte keine baldige Lösung gefunden werden, dürfte sich das Projekt TaWAN mindestens auf der Zeitachse nach hinten verschieben. Die zeitgerechte Anbindung etwa der Litauen-Brigade an Dienststellen im rückwärtigen Raum bis hin nach Deutschland wäre damit ungewiss.

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Im Rahmen von TaWAN soll ein mobiles Kommunikationsnetz mit Richtfunksystemen aufgebaut werden, das sich ständig in Bewegung befindet, um kein Angriffsziel für den Gegner darzustellen. Dies erfordert, dass sich die Fahrzeuge mit ihren Sendeanlagen und Mastsystemen im ständigen Wechsel im Auf- und Abbau befinden. Bei der Konzeption dieses dynamischen Systems fließen offenbar die Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg ein, bei dem längere Zeit an einem Ort verweilende Systeme oftmals mit Drohnen aufgeklärt und kurze Zeit danach bekämpft werden. Die Nutzung von Richtfunk als Übertragungsmittel wurde offenbar gewählt, um die Abhängigkeit von geostationären Kommunikationssatelliten zu reduzieren, die im Kriegsfall wahrscheinlich angegriffen würden. Bei den Auslandseinsätzen der vergangenen Jahre hat sich die Bundeswehr stark auf SatCom abgestützt.

Exemplarischer Aufbau eines zukünftigen, durchgängigen, interoperablen Informations- und Kommunikationsverbundes der Bundeswehr. (Bild: Bundeswehr)

Wie aus gut informierten Kreisen zu vernehmen ist, wird aufgrund der hohen Dringlichkeit des Vorhabens die Beschaffung eines bereits bei den Schweizer Streitkräften seit 2005 genutzten Richtfunksystems auf Basis des Radpanzers Piranha von General Dynamics European Land System (GDELS) präferiert.

Das in der Schweiz eingeführte Richtfunksystem auf einer Piranha-Plattform wird dort als Radio Access Point (RAP) bezeichnet und wurde zusammen mit der integrierten Richtstrahlstation R-905 für die mechanisierten Verbände beschafft. Die Richtfunkantennen sind an einem schnell ausfahrbaren Gittermast installiert. Hersteller der Richtstrahltechnik ist das Unternehmen Thales. Nach Angaben des Unternehmens sind in der Schweiz über 1.600 Systeme R-905 (Band IV) im Einsatz.

Die RAP-Panzer der Schweizer Armee wurden im Rahmen des Rüstungsprogramms 2022 beschafft und 2005 in die Truppe eingeführt. (Bilder: VBS/DDPS / Ulrich Liechti und Sina Guntern)

Im deutschen Projekt TaWAN würden die Richtfunkstationen auf Piranha dem Konzept zufolge offenbar auch in der Nähe des Gefechtsfeldes operieren, während die Empfangsstationen für den Richtfunk im rückwärtigen Raum offenbar auf Basis einer Lkw-Plattform realisiert werden sollen. Beobachter schätzen, dass in einem ersten Schritt 30 Piranha- und 40 Lkw-basierte Richtfunksysteme beschafft werden könnten.

Interessanterweise hat GDELS erst vor wenigen Wochen auf der Rüstungsmesse Eurosatory in Paris einen Piranha V mit einem Gittermast der deutschen Firma SMAG dem Fachpublikum vorgestellt. Beobachter gehen davon aus, dass die dort gezeigte Konfiguration den Anforderungen der Bundeswehr für TaWAN entsprechen dürfte. So ließen sich dann auch hochrangige Besucher der Bundeswehr das System erklären.

Piranha V mit integriertem 14m-Richtfunkmast auf der Eurosatory 2024. (Bild: Waldemar Geiger / hartpunkt)

Wie auf der Messe zu vernehmen war, ist der Aufbau der Anlage bis zur Sendebereitschaft in weniger als zehn Minuten möglich. Dabei wurde der gleiche SMAG-Mast mit der Bezeichnung Mastsystem auf Fahrzeug Typ Ftm 14/3 wie beim Schweizer Richtfunksystem verwendet. Laut Datenblatt des Herstellers kann der Mast auf fünf bis 14 Meter in weniger als vier Minuten ausgefahren werden und eine Kopflast an der Spitze von bis zu 300 kg tragen. In Paris waren an der Mastspitze vier runde Richtfunkantennen zu sehen.

Wie es hieß, ist GDELS für das Fahrzeug und die Mastintegration zuständig. Vorgesehen ist dabei, den Piranha mit zwei Stempeln zu stabilisieren, damit sich das Fahrzeug bei hohen Windgeschwindigkeiten nicht „aufschaukelt“. Überdies muss ein Blitzableiter integriert werden. Die Besonderheit des Mastsystems liegt darin, dass es ohne Abspannung konzipiert ist, was die kurzen Auf- und Abbauzeiten ermöglicht. Der bei der Eurosatory gezeigte Piranha verfügte über zwei Plätze für Operateure.

Als Richtfunk-Gegenstelle im rückwärtigen Raum ist dem Vernehmen nach eine Lösung auf HX-LKW von Rheinmetall vorgesehen. Dabei trägt offenbar ein LKW das Richtfunksystem, während auf dem zweiten LKW ein Container für die Operateure verlastet ist. Insidern zufolge soll für das Konzept ebenfalls ein ausfahrbarer Mast der Firma SMAG vorgesehen sein. Laut Datenblatt kann das Mastsystem auf LKW Typ Fth 40/9 in weniger als zehn Minuten auf eine Höhe von zehn bis 40 Meter gebracht werden und dabei eine Kopflast an der Spitze von bis zu 600 kg tragen.

Nachdem im vergangenen Jahr offenbar über eine Dutzend Firmen als mögliche Lieferanten der eigentlichen Richtfunktechnik angeschrieben wurden, sollen die Beschaffer mittlerweile die finalen Kandidaten identifiziert haben. Dabei handelt es sich laut gut informierten Kreisen mindestens um Thales und DND Digital. Wie ein Thales-Sprecher auf Nachfrage bestätigte, hat sein Unternehmen das gleiche Line-of-Sight-Richtfunksystem angeboten, das bereits in der Schweiz im Einsatz ist. 

Dem Vernehmen nach hat DND ein Funkgerät aus der B-NET-Reihe bei TaWAN im Angebot. Dieses Gerät verfügt nach Angaben des Unternehmens über zwei Platinen pro Stück, womit je Mast mit seinen jeweils vier Richtfunk-Antennen nur zwei Funkgeräte benötigt werden. Bei der herkömmlichen Technik wären vier Geräte erforderlich. Laut Hersteller sind B-NET-Radios nicht nur zum Nethopping in der Lage, sondern weisen auch eine weitergehende Störsicherheit aus.

Als weiterer möglicher Lieferung der Übertragungstechnik kommt auch das italienische Unternehmen Leonardo mit Funkgeräten aus der MH500-Reihe in Frage. Denn Leonardo hat die Funktechnik für das bereits seit einigen Jahren bei der Bundeswehr in der Nutzung befindliche Terrestrische Übertragungssystem (TÜtrSys) geliefert, bei dem es sich auch um Richtfunk handelt. Wie es heißt, soll die TaWAN-Technik auch mit TÜtrSys kommunizieren können.

Dieses Richtfunksystem, hat nach Angaben der Bundeswehr die Aufgabe, bei Einsätzen Verbindungen im Kommunikationssystem zwischen den Netzknoten herzustellen sowie führungswichtige Einrichtungen an dieses anzubinden. Das Terrestrische Übertragungssystem ermögliche den gleichzeitigen Betrieb von bis zu drei Richtfunkstrecken. Dabei gewährleisten besondere Router nicht nur eine zukunftssichere, sondern vor allem auch multikompatible Anschaltmöglichkeit zu anderen Systemen und Netzen. 

Sollten die Informationen zutreffen, dass das Angebot der Anbieterkonsortiums zu hoch ist, müssten jetzt entweder die Forderungen oder der Umfang des Vorhabens verändert – oder die Mittel aufgestockt werden. Insider wollen nicht ausschließen, dass das Konsortium überhaupt nicht mehr mit der Umsetzung betraut wird. Dann müsste das Bundeswehr-Beschaffungsamt kurzfristig eine Alternative finden. Da TaWAN für die Umsetzung eines durchgängigen Informationsverbundes von großer Bedeutung ist, wäre eine zügige Lösung sicherlich im Sinne der Bundeswehr. Rheinmetall zumindest scheint mit einer baldigen Bestellung zu rechnen. So ist aus den Folien für den auf den 8. August 2024 angesetzten Conference Call mit Analysten zu entnehmen, dass der Konzern TaWAN zu den Projekten zählt, die voraussichtlich im zweiten Halbjahr beauftragt werden.

Lars Hoffmann