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Tiefer Einblick in die zukünftige Artilleriestruktur der Bundeswehr

Waldemar Geiger

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Nach derzeitigen Fähigkeitsplanungen der Bundeswehr wird das Heer über insgesamt 13 Artillerieverbände auf Korps-, Divisions- und Brigadeebene verfügen, welche bis 2035 aufgestellt werden sollen, wie aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums vom Anfang März 2024 auf eine parlamentarische Anfrage hervorgeht. Ein jüngst von einem Angehörigen der Bundeswehr auf der Future Artillery Conference in Paris gehaltener Vortrag offenbart nun tiefere Einblicke in die Struktur der zukünftigen Artillerieverbände, von denen es im Deutschen Heer wohl nur zehn Verbände geben soll.

Je nachdem wen man fragt, gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze für die Diskrepanz zwischen den 13 vom Verteidigungsministerium (BMVg) benannten Verbänden und den zehn Bataillonen, die sich auf unterschiedlichen Vortragsfolien des Heeres wiederfinden lassen. Am schlüssigsten klingt die Erklärung, wonach bei den 13 vom BMVg aufgeführten Verbänden auch die niederländische Artillerietruppe mitgezählt wird, welche tief in das Deutsche Heer integriert ist.

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Dem jüngst in Paris gehaltenen Vortrag zufolge wird das Heer zukünftig über ein Korpsartilleriebataillon (Raketenartillerie), zwei Divisionsartilleriebataillone (Raketen- und Rohrartillerie) sowie vier schwere und drei mittlere Brigadeartilleriebataillone (Rohrartillerie) verfügen. Der zukünftige Personalbedarf der Artillerie wird mit rund 6.000 Soldatinnen und Soldaten angegeben, was im Grunde einer Verdopplung der aktuellen Personallage entspricht. Auch die Anzahl der schießenden Waffensysteme wird signifikant steigen. Derzeit sind strukturell 121 Panzerhaubitzen 2000 sowie 36 Raketenartilleriesysteme MARS II vorgesehenen. Das zukünftige Heer soll hingegen über 289 Rohrartilleriesysteme (Rad und Kette) sowie 76 Raketenartilleriesysteme (Rad und Kette) verfügen.

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In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die vorgestellte Struktur einen Zielzustand im Jahr 2035 darstellt. Verbindlich werden die aufgeführten Zahlen erst wenn diese Struktur offiziell gebilligt wurde. Bis zur Erreichung dieser Struktur kann es daher zu einer signifikanten Abweichung in Anzahl und Art der Ausstattung in den Verbänden kommen. Aufgrund der allgemeinen Priorisierung der Litauenbrigade sowie der Division 2025 kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die dazugehörigen Artillerieverbände auch in der Ausstattung mit Systemen priorisiert werden, was bis zum Erreichen der geplanten Vollausstattung wohl zu Lasten der restlichen Verbände erfolgen wird.

Artillerieverbände im Heer

Dem Bundeswehrvortrag in Paris zufolge wird das Korpsartilleriebataillon über insgesamt 36 Raketenartilleriesysteme des Typs „Zukünftiges System Indirektes Feuer großer Reichweite“ verfügen, welche auf drei schießende Batterien a 12 Raketenartilleriesysteme aufgeteilt werden, wobei die dritte Batterie eine nichtaktive Einheit ist. Dies bedeutet, dass diese Batterie zwar über Material verfügen wird, aber im Friedensfall nicht mit Personal bestückt ist. Korpsartilleriebataillon soll in der Lage sein, bis zu einer Entfernung von 300 km und gegebenenfalls darüber hinaus Ziele aufklären und bekämpfen zu können.

Die beiden Divisionsartilleriebataillone werden über Mittel der Rohr- und Raketenartillerie verfügen und sollen den Kampf bis zu einer Tiefe von 150 km führen können. Dazu sind die zwei Verbände gleich gegliedert und verfügen über insgesamt vier schießende Batterien, wobei die vierte Batterie wiederum nicht aktiv ist. Die erste Batterie wird der Übersicht zufolge über 16 Raketenartilleriesysteme des Typs MARS II verfügen. Die Batterien zwei und drei über jeweils neun Rohrartilleriesysteme, die jeweils in drei Geschützzüge a drei Haubitzen aufgegliedert sind. In der nichtaktiven Batterie wird es vier Geschützzüge geben, drei Rohrartilleriezüge mit je drei Haubitzen und einem Raketenartilleriezug mit vier Systemen. Bis zum Zulauf der Radhaubitzen sollen die Divisionsverbände mit der Panzerhaubitze 2000 ausgestattet werden. Der Gesamtbedarf des Heeres und der Ausbildungsorganisation an Radhaubitzen soll dem Vernehmen zufolge bei 168 Systemen liegen.

Auch die sieben Brigadeartilleriebataillone sind, was die Anzahl der Waffensysteme angeht, gleich gegliedert. Sie haben den Auftrag, die Feuerunterstützung bis zu 70 km Tiefe zu gewährleisten. Die Verbände werden über jeweils drei schießende Batterie a neun Haubitzen (drei Systeme pro Geschützzug) verfügen, wobei die dritte Batterie ebenfalls nicht aktiv ist. Unterschiede zwischen den mittleren und schweren Brigadeartilleriebataillonen wird es jedoch in der Art der Waffensysteme geben. Während die schweren Verbände mit der Panzerhaubitze 2000 ausgestattet werden, sollen die mittleren Brigadeartilleriebataillone mit Radhaubitzen vom Typ RCH 155 ausgestattet werden. Dem Vortrag zufolge wird der Zulauf der ersten Systeme für 2029 erwartet, auch wenn bis heute kein einziges System unter Vertrag ist. Zudem werden die mittleren Bataillone im Gegensatz zu den schweren Verbänden über keine Feuerunterstützungsbatterie verfügen, da die Infanterieverbände der mittleren Heeresbrigaden bereits über organische Feuerunterstützungszüge verfügen.

Die Friedenskopfstärken der Verbände werden mit ca. 420 für das Korpsartilleriebataillon, jeweils rund 700 für die beiden Divisionsartilleriebataillone sowie jeweils etwa 555 bzw. 340 für die Brigadeartilleriebataillone angegeben. Der Personalunterschied von rund 200 Soldatinnen und Soldaten in Brigadeartillerieverbänden erklärt sich durch die „fehlende“ Feuerunterstützungsbatterie und die höhere Automatisierung der Radhaubitze, welche im Gegenzug zur Panzerhaubitze mit einer Geschützmannschaft von zwei anstatt fünf Personen auskommt.

„Umlaufreserve“ und Ausbildungsgerät

Der Umstand, dass die Artillerieverbände auf allen drei Ebenen über nichtaktive Batterien verfügen werden, welche im Friedensfall zwar mit Material aber nicht Personal befüllt sind, könnte erheblich zur Steigerung der Einsatzfähigkeit der Heeresartillerie bei Einsatz und Übung beitragen. In der langfristigen Instandsetzung oder Modernisierung befindliche Systeme könnten so auf Verbandsebene aus den eigenen Beständen ausgeglichen werden, so dass die aktive Truppe jederzeit über eine „Vollausstattung“ verfügen kann. Ausbildung, Übung und Einsatzgestellungen können so deutliche effektiver geplant und organisiert werden. Der Materialbestand der nichtaktiven Batterien würde in einem solchen Fall die Funktion einer Umlaufreserve erfüllen können.

Neben dem Artilleriesystemen der Truppe wird die Bundeswehr über einen gewissen Bestand an Systemen für die Ausbildung – Artillerie- sowie Instandbesetzungspersonal – verfügen, was das Delta zwischen den oben aufgeführten Gesamtbestandszahlen der Systeme sowie der in der Truppengliederung aufgeführten Werfern und Haubitzen erklärt.

Weitere Artilleriekräfte

Wenn auch nicht dem Deutschen Heer zugehörig, werden die beiden mechanisierten Divisionen des Heeres über zusätzliche Artilleriekräfte verfügen, die in den niederländischen Brigaden abgebildet sind. So werden sowohl die „13. Lichte Brigade“ des niederländischen Heeres als Bestandteil der 10. Panzerdivision als auch die „43. Gemechaniseerde Brigade“ als Element der 1. Panzerdivision über eigene sogenannte Artillerieabteilungen verfügen.

Nach Angaben der Landmacht soll die „41. Afdeling Veldartillerie“ (Feldartillerieabteilung) die Feuerunterstützung für die 13. Lichte Brigade – eine Brigade die der deutschen Kräftekategorie „Mittlere Kräfte“ entspricht – liefern. Die in Aufstellung befindliche „11. Afdeling Rijdende Artillerie“ (berittene Artillerieabteilung) wiederum wird die 43. Gemechaniseerde Brigade (Schwere Kräfte) mit Feuer unterstützen.

Auch wenn sich die Beiden Artillerieabteilungen – die von der Größenordnung einem Artilleriebataillon entsprechen – im Namen unterscheiden, werden sie über die gleiche Gliederung verfügen. Neben einer Stabs- und Versorgungsbatterie, inklusive Sensorzug (Drohne sowie Multi-Mission-Radar Ground Master GM200 MM/C von Thales NL) werden die Abteilungen jeweils über zwei Rohrartilleriebatterien (acht Panzerhaubitzen 2000NL, jeweils vier pro Geschützzug) sowie eine Raketenartilleriebatterie (acht Raketenartilleriesysteme PULS, jeweils vier pro Geschützzug) verfügen.

Dem Vernehmen nach gab es wohl auch Überlegungen der Niederlande die Raketenartilleriesysteme in einem eigenen Verband zusammenzuziehen, was dann der „13“ Verband gemäß der BMVg-Rechnung gewesen wäre. Insgesamt werden die niederländischen Streitkräfte nach derzeitigen Planungen über 46 Panzerhaubitzen sowie 20 Raketenartilleriesysteme des Typs PULS verfügen.

Waldemar Geiger