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Zukünftiges System Indirektes Feuer kurze Reichweite – NEMO-Turmmörser auf CAVS 6×6 soll noch 2024 beschafft werden

Waldemar Geiger

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Mit dem Vorhabens Zukünftiges System Indirektes Feuer kurze Reichweite beabsichtigt die Bundeswehr, die in die Jahre gekommenen 120-mm-Panzermörser der Jägertruppe zu ersetzen. Dem Vernehmen nach sollen zudem auch die mit dem Radschützenpanzer ausgerüsteten Grenadierverbände zukünftig mit dem neu zu beschaffenden Mörsersystemen ausgestattet werden. Gut informierten Kreisen zufolge plant das Bundesministerium der Verteidigung im vierten Quartal 2024 eine entsprechende 25-Mio-Vorlage für die Beschaffung der neuen 120-Mörsersysteme den zuständigen Ausschüsse im Bundestag zur Billigung vorzulegen.

Konkret soll es sich dabei um moderne Turmmörsersysteme vom Typ NEMO auf einer CAVS 6×6 Plattform – beides vom finnischen Rüstungskonzern Patria – handeln. Damit würde das neue Mörsersystem die erste Fahrzeugvariante sein, die auf der CAVS-Plattform – welche als Nachfolge für den Radpanzer Fuchs ausgewählt wurde – in die Bundeswehr eingeführt wird. Im Rahmen des Vorhabens „Transportpanzer Neue Generation“ sollen in den nächsten Jahren rund 1.000 CAVS-Radpanzer in unterschiedlichen Varianten – im Rahmen des internationalen CAVS-Projekts (Common Armoured Vehicle System), das von Finnland geleitet wird – beschafft werden, um damit die in die Jahre gekommene Fuchs-Flotte zu ersetzen. Eine entsprechende Unterzeichnung des CAVS Research and Development Agreements (Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung) durch Deutschland ist im Mai 2024 erfolgt, hartpunkt berichtete.

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NEMO

NEMO steht für NEw MOrtar und ist ein rund 1,9 Tonnen schwerer 120-mm-Turmmörser des finnischen Rüstungskonzerns Patria. Das System wurde 2006 erstmals vorgestellt und seitdem konsequent weiterentwickelt. So hat Patria Anfang 2021 die Qualifizierung des NEMO für die Fähigkeit „Fire-on-the-move“, auf Deutsch Feuern in der Bewegung, bekanntgegeben. Diese für Mörsersysteme bis dato einzigartige Fähigkeit erlaubt es der Truppe, während des Feuerkampfes ständig in der Bewegung zu bleiben und sich somit der feindlichen Waffenwirkung wirkungsvoll zu entziehen.

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Die Konstruktionsweise als Turmmörser gilt zwar als besonders komplex und ist demensprechend auch mit höheren Beschaffungs- und Unterhaltskosten verbunden, bietet gegenüber klassischen „Lukenmörsern“ aber mehrere Vorteile. Zum einen ist die Besatzung komplett geschützt, sowohl ballistisch, als auch gegen ABC-Bedrohungen. Ein weiterer Vorteil besteht in der Fähigkeit, in einer niedrigen Winkelgruppe im direkten Richten feuern zu können. Eine Fähigkeit, die im Gefecht sowohl defensiv als auch offensiv genutzt werden kann.

Ein einziger NEMO-Mörser ist laut Hersteller in der Lage, bis zu sechs Patronen gleichzeitig ins Ziel zu bringen. Das Verfahren wird als Multiple Round Simultaneous Impact (MRSI) bezeichnet. Diese Fähigkeit bleibt dem Hersteller zufolge auch beim Feuern in der Bewegung erhalten.

Der NEMO-Turm verfügt über einen Schwenkbereich von 360 Grad und eine Waffenneigung von -3 bis 85 Grad. Das drei Meter lange Rohr erlaubt eine im Vergleich zu klassischen 120-mm-Mörsern leicht gesteigerte Kampfreichweite.

Die Waffenanlage ist als Hinterlader mit einem halbautomatischen Lademechanismus konzipiert. Dabei wird die Munition durch die Besatzung vorbereitet und auf eine Ladeschiene platziert. Der Mechanismus lädt die Waffe im Anschluss automatisch. Je nach Größe können Fahrzeuge, die mit NEMO-Turm ausgerüstet sind, 50 bis 60 Patronen 120-mm-Mörsermunition mitführen. Für den Verschuss aus dem NEMO muss die Mörsermunition mit einem sogenannten Stub Case (auf Deutsch Hülsenstummel) versehen werden. Dabei handelt es sich um ein von Patria entwickelte kurze Hülse, die als Interface zwischen der Hinterladerwaffenanlage und der Munition fungiert. Aussagen von Patria zufolge eignet sich fast jede auf dem Markt befindliche 120-mm-Mörsermunition für den Verschuss aus dem NEMO, sobald sie mit dem Stub Case bestückt wurde. Die Bestückung der Munition ist einfach und kann durch die Besatzung erfolgen. Nach dem Abfeuern der Waffe wird der Hülsenstummel in einen auf dem Fahrzeug montierten Auffangbehälter ausgeworfen.

Nach Angaben von Patria wird das Waffensystem üblicherweise durch eine vierköpfige Besatzung bedient, welche aus einem Kraftfahrer, einem Kommandanten – der auch gleichzeitig die Funktion des Richtschützen wahrnimmt – einem Lade- sowie einem Munitionsschützen besteht. Ein modernes Feuerleitsystem komplettiert das Waffensystem.

CAVS 6×6

Der CAVS 6×6 leitet sich von einem dreiachsigen Radpanzer ab, den ursprünglich die finnische Firma Sisu produzierte. Dieses Fahrzeug wurde auch Patria XA genannt. Der neue Patria 6×6 weist den Angaben von Patria zufolge gegenüber seinem Vorgänger eine verbesserte Einzelradaufhängung, einen leistungsstärkeren Motor mit 294 kW sowie Verbesserungen des elektrischen Systems auf. Das deutsche Unternehmen ZF liefert laut Patria das Getriebe.

Der Patria 6×6 hat laut Hersteller ein maximales Gewicht von 24t und der Schutz entspricht STANAG 4569 Level 2, wobei auch ein höherer Schutz gemäß Level 4 bei Bedarf möglich sein soll.

Der finnische Rüstungskonzern Patria hat angekündigt, dass der überwiegende Teil der Fahrzeugproduktion durch die Nutzung lokaler Industriekapazitäten in den CAVS-Mitgliedsländern erfolgt. Dazu hat Patria sich bereits Mitte Februar 2024 mit den beiden deutschen Unternehmen DSL Defence Service Logistics GmbH (DSL), einer Tochter des KNDS-Konzerns, sowie der FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH (FFG) zusammengeschlossen, um der Bundeswehr im Rahmen der Nachfolge des Transportpanzers Fuchs die Entwicklung, Produktion und Wartung von Varianten des 6×6-Transportpanzers von Patria anzubieten.

Die Aufteilung der Arbeitspakete sieht vor, dass Patria im Rahmen des internationalen CAVS-Programms als Hauptauftragnehmer fungieren wird, wenn Deutschland sich für die Beschaffung des Fahrzeuges entscheiden sollte. Der finnische Konzern wird zudem die Federführung bei der Konzeption und Entwicklung des Systems übernehmen. DSL und FFG – mit der Tochter Jungenthal Wehrtechnik (JWT) – sollen hingegen für das lokale Engineering, die Produktion und den Life-Cycle-Support aus den Standorten Freisen, Flensburg und Kirchen sorgen. „Neben der nun beginnenden detaillierteren Vorbereitung der Lokalisierung wird das Team auch andere deutsche Unternehmen in das Programm einbinden“, hieß es in der Mitte Februar verschickten Pressemitteilung der drei Kooperationspartner. Nach Aussage von Jörg Kamper, Geschäftsführer der Jungenthal Wehrtechnik und Mitglied der Geschäftsführung der FFG Flensburger Fahrzeugbau GmbH, wird der Löwenanteil der Fertigung in Deutschland erfolgen.

Waldemar Geiger